Dass Smartphones wichtige Helfer beim Sport sein können, weiß jeder, der eine Fitness-App auf seinem Gerät installiert hat. Mit den Bewegungssensoren in neuen Smartwatches eröffnen sich nun aber neue Möglichkeiten für ein Langzeitmonitoring von Patienten, um Krankheitsbilder rechtzeitig zu erkennen und Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen. Forscher am Fraunhofer IGD in Rostock erfassen mit den intelligenten Uhren Mikrobewegungen, die unser Körper jede Nacht millionenfach produziert, um Hinweise auf Krankheitsbilder zu bekommen – oder den Muskelkater am nächsten Trainingstag zu vermeiden.

Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern. Denn darin steht unter anderem, dass Beschleunigungssensoren, Neigungsschalter und Lagesensoren von Smartphones unter anderem auch genutzt werden können, um die sportlichen Aktivitäten des Besitzers genau zu messen. Tausende von Fitness-Apps machen sich dies bereits seit Jahren zunutze. Für Millionen Menschen ist diese Kontrollmöglichkeit mittlerweile zu einer wichtigen Komponente ihrer Selbstbeobachtung geworden. Mittlerweile ist jede 23. App weltweit eine Health-App. Innerhalb von einem Jahr hat sich das Angebot der Apps in den zwei Kategorien »Medizin« und »Gesundheit & Fitness« in den beiden großen App-Stores iTunes und Google Play weltweit um über 40 Prozent auf insgesamt 80.000 Apps erhöht.

Wegbereiter dafür war unter anderem das Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD in Rostock. Die Forscher hatten hier zunächst Methoden entwickelt, wie mit Hilfe von Beschleunigungssensoren, die am Körper getragen werden, die aktuelle Bewegungsform des Nutzers bestimmt werden kann. Daraus resultierte dann die Entwicklung des DiaTrace-Systems, über das InnoVisions bereits vor fünf Jahren berichtete. Dabei werden die Sensoren zur Bewegungserkennung im Smartphone genutzt, um Aktivitäten aufzuzeichnen. DiaTrace ist über Inter-Learn mittlerweile längst im medizinischen Einsatz: »Hier ist es Teil einer Kommunikationsplattform, die Kindern und Jugendlichen die Aktivitätenkontrolle und das Abnehmen erleichtert«, erläutert Projektleiter Gerald Bieber.

Nun aber wollen die Fraunhofer-Forscher mehr: »Der Einsatz von Smartphones für Aktivitätenmessung hat unter anderem den Nachteil, dass sie nicht immer am Körper getragen werden und beispielsweise ein 24-Stunden-Monitoring nicht möglich ist«, so Bieber. Gerade aber die kontinuierliche Beobachtung oder auch Messungen im Schlaf seien wichtig, um beispielsweise Rückschlüsse auf Krankheiten ziehen zu können. Ähnlich wie bei einem 24-Stunden-EKG lassen sich nur anhand großer Datenmengen Unregelmäßigkeiten gut erkennen. Deshalb, so Bieber, eröffnen sich mit der aktuellen Markteinführung von Smartwatches neue Möglichkeiten – sofern die genutzte Methode und die Auswertungs-Software stimmt. Und genau daran arbeitet das Team derzeit.

»Smartwatches werden den ganzen Tag und auch nachts getragen. Wir gehen davon aus, dass wir durch diese permanente Kontrollmöglichkeit neuartige Wege entwickeln können, die nicht nur bei der selbst- und telemedizinischen Beobachtung von Aktivitäten, sondern auch im Bereich der Schlafforschung wegweisend sein können«, so Bieber. So können durch Bewegungsmessungen dieses »Fernsehers nach innen« spezielle Anomalien erkannt werden. Dazu gehören Bewusstlosigkeit oder beispielsweise auch eine Unterzuckerung,. »Das Registrieren häufiger Bewegungen während des Schlafes in Verbindung mit starkem Schwitzen und starken Kopfschmerzen am Morgen beispielsweise lässt auf einen zu geringen Blutzuckerwert schließen«, erklärt Bieber. Weil die Uhr (in der Regel) via Bluetooth mit dem Smartphone und damit mit dem Internet verbunden sein kann, lassen sich auf diese Weise auch telemedizinische Anwendungen entwickeln. Sei es zur Vorsorge, für erste Diagnosen oder zum Fernmonitoring von Risikopatienten.

Richtungsweisend sind die Forschungen zur Schlaf-Beobachtung in Verbindung mit der Entwicklung telemedizinischer Methoden aber vor allem deshalb, weil die Rostocker mit Hilfe von Bewegungssensoren in Smartwatches, geeigneten Algorithmen und speziellen Software-Programmen auch Mikrobewegungen messen und künftig auch interpretieren wollen. Mikrobewegungen sind geringste Gewichtsverlagerungen und Muskelanspannungen, die von außen kaum beobachtbar sind. Sie werden vom gesunden Menschen im Sitzen, Liegen und im Schlaf bis zu zwölfmal pro Sekunde durchgeführt. »Diese Kleinstkontraktionen wurden bereits in den 60er-Jahren entdeckt. In der telemedizinischen Forschung aber wird ihnen bislang zu wenig Beachtung geschenkt«, erklärt Bieber. Dabei sind Bewegungsart und ‑häufigkeit wichtige Indikatoren für die Befindlichkeit eines Menschen. Atmungs- und Pulsfrequenz beispielsweise sind auch auf diese Weise erfassbar. Vor allem aber könnten die Ärzte später Hinweise auf die Muskelbeanspruchungen und die Muskeldurchblutung erhalten. Die Daten könnten dann dazu beitragen, Epilepsie oder Diabetes zu erkennen. Oder – ganz profan – über eine Sport-App wieder ausgewertet werden, um den Smartphone-gesteuerten Trainingsplan für den kommenden Tag möglichst ohne anschließenden Muskelkater zu gestalten. (aku) 

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