Seit der Fußball-WM in Südafrika 2010 müssen sich Fans mit einem neuen „musikalischen“ Phänomen in den Stadien und beim Public Viewing auseinandersetzen: den Vuvuzelas. Um ihr in der Regel als „Störgeräusch“ empfundenes Getröte zumindest für die Zuschauer am heimischen Bildschirm erträglicher und die „normalen“ Stadiongeräusche wieder hörbar zu machen, hat das Fraunhofer IDMT einen speziellen Vuvuzela-Filter entwickelt. Mithilfe dieses kostenlosen Tools lässt sich die Lautstärke der Tröten stufenlos regulieren.

Vielleicht ist der Name falsch gewählt. Denn laut Bezeichnung arbeitet das Geschäftsfeld „Semantic Music Technology“ des Fraunhofer IDMT mit „Musik“. In diesem Fall aber soll es nicht um die interessante, anregende und im Idealfall sogar als schön empfundene Abfolge von Tönen gehen, sondern schlicht um Lärm. Oder um es drastisch auszudrücken: um Krach. Den Krach, der vor allem während der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika zehntausendfach aus den etwa 58 cm langen, farbigen Tröten austrat und den Zusehern überall auf der Welt die Ohren „verstopfte“. Denn das für das Erleben einer Liveatmosphäre wichtige Zuhören der Fangesänge und selbst die erklärenden Kommentare des Moderators fanden dabei kaum ihr Ziel. Seit über einem Jahr ist der Begriff „Vuvuzela“ deshalb ein Reizwort für viele, die gerne auch anderes hören als nur Getröte mit einer Lautstärke von rund 130 Dezibel.

Semantic Music Technology hat deshalb bereits während der WM einen speziellen Vuvuzela-Filter entwickelt und damit für viele, die das kostenfreie Plugin genutzt haben, die Fernsehübertragung der WM 2010 wieder zu dem gemacht, was sie sind: ein echtes Fußballvergnügen.

Die Funktionsweise ist dabei vergleichsweise einfach: Zunächst wird ein Modell für typische Frequenzspektren der Vuvuzelas (in der Regel der Grundton „B“ ) berechnet, indem man der Software einige Sekunden Stadionatmosphäre vorspielt. Anschließend wird das dauerhafte „Hornissengeräusch“ der Vuvuzelas erfasst und im Spektralbereich abgezogen. Übrig bleibt die Stimme des Kommentators und der (nun stufenlos einstellbare) Jubel sowie die Gesänge der Fans. Im Gegensatz zu einigen anderen Filtertechniken, bei denen beispielsweise die Sprachverständlichkeit des Sportkommentators in Mitleidenschaft gezogen wird, verhindert der Vuvuzela-Filter des IDMT diese Klangeinbußen und sorgt für ein „trötenfreies“ und trotzdem akustisch ungetrübtes Fußballerlebnis.

Um die Vuvuzela-Anteile aus dem Audiosignal herausfiltern zu können, muss das Audiosignal zwischen Receiver und Fernseher/Stereoanlage abgegriffen und durch einen Windows-PC geleitet werden. Um das Plugin unter Windows anzuwenden, benötigt man eine VST Hostsoftware wie die kostenfreie Kristal Audio Engine. Das Plugin muss nun in die VST Hostsoftware geladen und auf das entsprechende Signal angewendet werden. Es verfügt über 4 Drehregler: Ambience Amount (1), Vuvuzela Amount (2), Noisefloor Threshold (3) und Learn Vuvuzela (4). Ist Regler 4 auf einen Wert über 0,5 eingestellt, lernt das Plugin, wie sich die Atmosphäre im Stadion ungefähr anhört. Während dieser 3 bis 5 Sekunden dauernden Lernphase sollte der Stadionsprecher nicht zu hören sein. Die Lernphase wird abgeschlossen, wenn es wieder auf einen Wert unter 0,5 gestellt wird. Danach kann der Vuvuzela-Anteil über Regler 2 von 0 (so wenig Vuvuzela wie möglich) bis 1 (so viel Vuvuzela wie möglich) eingestellt werden. Ist ein Zuschauer/Zuhörer nur am Stadionsprecher interessiert, und will auch das Jubeln, Schreien oder Klatschen im Signal verringern, kann man diesen Wert mit Hilfe des ersten Reglers reduzieren.

Das Grundprinzip der Unterdrückung von Störgeräuschen nutzt das Fraunhofer IDMT für eine Vielzahl weiterer Entwicklungen. So wird es beispielsweise möglich, bei der digitalen Kommunikation bei Handy oder via Internet Geräusche außerhalb des menschlichen Sprachspektrums zu reduzieren, um die Qualität eines Telefonats deutlich zu erhöhen (HearingAssistance 4Conferencing - PDF). Zudem arbeiten die Forscher an einer Software, mit deren Hilfe beliebige Songs in Übungsmaterial für Musikschüler umgewandelt werden können. Mit ihr lässt sich das gelernte Instrument aus dem Lieblingsstück quasi ausblenden, um dieses dann durch das eigene Spiel wieder zu vervollkommnen. Das Produkt namens Songs2See dürfte Ende des Jahres marktreif sein.

Obwohl der Vuvuzela-Filter längst Marktreife und seine „Feuertaufe“ an heimischen Fernsehgeräten und beim Public Viewing längst erfolgreich bestanden hat, sollten Veranstalter von Live-Übertragungen mit Großleinwänden sich übrigens nicht allein auf die Technik verlassen: Bei der WM in Südafrika war es in deutschen Lokalen und Biergärten immer wieder vorgekommen, dass Vuvuzela-Filter von den Toningenieuren vorne an die Musikanlage angeschlossen wurde, und hinten im Zuschauerbereich kostenfreie Vuvuzelas verteilt wurden.

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