Fußball ist die wichtigste Nebensache der Welt. Deshalb steht eine detaillierte Analyse von Einzel- und Mannschaftsleistungen der Spieler im Mittelpunkt jedes Trainings und Spiels. Von der Talentsuche bis zum täglichen Training der Stars wird hart an der Perfektion gearbeitet. Mit Hilfe der Sensortechnik im Ball und am Spieler hat sich nun auch der Computer in die erste Liga der Trainerassistenten gespielt: Am Display liefert er in Echtzeit umfangreiche Analysedaten – von der Schussgeschwindigkeit bis zur taktischen Ausrichtung aller Spieler am Platz.


Der Dribbelkünstler, der Flügelstürmer, der Torschützenkönig oder ihre jeweiligen weiblichen Pendants: Gewinnen können sie ein Fußballspiel nur gemeinsam, als Team, das die Stärken aller zu einer überragenden Gesamtleistung vereint. Um dies zu erreichen muss der Coach und sein Trainerstab beides immer im Blick haben: die individuelle Förderung jedes seiner Stars ebenso wie deren gemeinsames Zusammenspiel auf dem Platz. Weil ein geglückter Angriff nur möglich ist, wenn viele auch kleine Details optimal zusammenwirken, müsste der ideale Trainer (oder die ideale Trainerin) mindestens elf Augenpaare haben, damit keine unter Umständen spielrelevanten Einzelheiten übersehen werden. Denn Flanken, die nicht beim Mitspieler ankommen, falsche Laufwege oder viele unnötige Ballverluste durch eigensinnige Dribblings – Aspekte wie diese entscheiden in ihrer Gesamtheit über die Mannschaftsleistung. Da ein Trainer aber nur zwei Augen hat, ist es inzwischen üblich, dass er Videoaufzeichnungen im Nachhinein Ausschnitt für Ausschnitt und oft in vielfacher Wiederholung auswertet und analysiert. 

Mit Sensortechnik im Ball und am Sportler und einer besonders leistungsfähigen Technologie zur Echtzeitortung entwickelten die Forscher am Fraunhofer IIS nun ein Analysesystem, das den Trainer unmittelbar am Spielfeldrand mit einer umfassenden wissenschaftlichen Auswertung von Spieler- und Spieldetails unterstützt. Wie die neue Analysetechnik in der Praxis funktioniert, können die Forscher derzeit bereits im Nürnberger Fußballstadion demonstrieren: Rund um das Spielfeld rüsteten sie Flutlichtmasten und Tribünenbauten des Stadions mit Funkantennen aus. Als Signalgeber sind miniaturisierte Sender im Ball integriert. Zudem trägt jeder Spieler Sender an den Füßen, im Funktionsshirt und optional auch an beiden Armen. So wird es möglich, jede Ball- und Spielerbewegung in Echtzeit mitzuverfolgen und auszuwerten. Der Ball lässt sich damit bis zu 2.000 Mal in einer Sekunde exakt verorten. Selbst die Flugbahn eines von einem Weltklassefußballer kraftvoll geschossenen Freistoßes kann also exakt erfasst werden. Eine 3D-Ansicht auf dem Bildschirm zeigt Schuss und Flugbahn, und gleichzeitig errechnet der Computer die Schussgeschwindigkeit entlang der zurückgelegten Wegstrecke. Ebenso wird mehrere hundert Mal pro Sekunde der Standort jedes Spielers bestimmt und so das gesamte Geschehen auf dem Rasen auf den Computerbildschirm übertragen. Aus der Signalübertragung der Einzelsensoren jedes Akteurs können zusätzlich dessen Bewegungen im Detail erfasst und analysiert werden. Da sich damit jede Fuß- und Armbewegung genau vermessen lässt, werden für den Trainer Schwachpunkte erkennbar, die mit bloßem Auge nicht oder nur sehr eingeschränkt sichtbar sind.


Erste Testeinsätze hat die Echtzeitortung in der Nürnberger Arena bereits bei Freundschaftsspielen erfolgreich absolviert. Grundsätzlich ist das System von Fraunhofer IIS auch für Ligaspiele oder internationale Turniere geeignet. Das Funktionsprinzip ist so ausgestaltet, dass es selbst dem strengen Reglement der FIFA entspricht. Dieses verbietet das Senden von Signalen von außen auf den Platz. Bei der Echtzeitortung des Fraunhofer IIS ist dies aber gewährleistet, weil alle Funksignale ausschließlich von den Minisendern in Ball und Spielerkleidung gesendet werden. Die Antennen am Spielfeldrand dienen also nur als Empfänger. Für die Stromzufuhr ist jeder der stoß- und wasserfesten Minisender mit einem Akku ausgestattet, der drei bis vier Stunden hält und nach einem Einsatz drahtlos wieder aufgeladen wird. Die Softwareanalysen in Echtzeit könnten damit künftig nicht nur für das Training oder die Spielauswertung genutzt werden. Zudem wäre es möglich, den Reportern im Stadion für ihre Live-Berichterstattung noch weit umfangreicher wie bisher Daten zu spannenden Szenen zur Verfügung zu stellen. Auf dem computergenerierten 3D-Abbild des Spieles würden ihm auf dem Tablet-PC dazu etwa die exakte Entfernung des Stürmers zum Tor oder seine Schussgeschwindigkeit angezeigt.

Die Unterstützung durch Funkortung und Computerauswertung bringt nicht nur im Stadion, sondern auch am Trainingsplatz Vorteile: Das Fraunhofer IIS demonstriert dies beispielhaft mit dem Einsatz seines Systems und speziellen Analysetools zur Auswahl und Förderung von Nachwuchstalenten. Das Ortungssystem wurde dazu so ausgelegt, dass es gleichzeitig die Signale von zwölf Bällen und weiteren 132 Spielersensoren in Echtzeit erfassen und verarbeiten kann. Damit wird es möglich, das gesamte Geschehen auf einem Trainingsplatz lückenlos zu analysieren und zu dokumentieren. Als Beispielanwendung entwickelten die Forscher die Auswertungssoftware WiCoach für die Übungen der DFB-Testbatterie. Mit standardisierten Übungen werden dabei die Stärken und Schwächen des einzelnen Spielers ermittelt, etwa beim Sprint, beim Torschuss oder beim Dribbling mit dem Ball. Mit dem Analysetool können alle sechs Standardtests detailliert ausgewertet werden. Trainer oder Talent-Scouts sind damit erstmals in der Lage, die Bewegungen und das Verhalten der einzelnen Spieler nicht nur zu beobachten, sondern ihre Entscheidungen auf der Grundlage wissenschaftlich exakter Spielerdaten zu treffen.   

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  • Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS
René Dünkler
  • Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS
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