Es ist Mode geworden, die Arbeitsumgebungen nach den Ideen der Digital Natives umzustellen. Wir schauen zu, wie sie leben, daraus schließen wir, wie wir alle arbeiten könnten. Digital Natives schreiben Unwesentliches in Facebook, sie haben statt eines Poesiealbums einen eigenen Blog. Sie schreiben sich andauernd SMSe und sitzen mit offenem Instant Messenger vor dem Bildschirm, wo sie ständig von Freunden abgelenkt werden. Kommunikation total! Dazu kommen jetzt für alle, die es sich leisten können, die iXXX, zum Beispiel die iPhones oder die iPads. Die Digital Natives wissen fast nichts mehr selbst, alles ist im Internet, wo sie das Nötige blitzschnell besorgen können.

Das fasziniert die Berater, die sich auf den Wandel spezialisiert haben. Sie sind ganz frustriert von den Misserfolgen des letzten Jahrzehnts, die sie mit Knowledge Management erleben mussten. Sie beabsichtigten, das Wissen des Unternehmens in Datenbanken zu sammeln und allen nutzbar zu machen. Sie forderten die Wissensträger auf, ihre Erfahrungen, Kenntnisse und Tipps allen jungen Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen.

Es war aber immer klar, dass die Besten und Wissendsten keine Zeit zum Schreiben haben und meistens auch kein Talent dafür. Es war immer klar, dass die Besten an die Front müssen und handeln sollen, nicht aber schreiben. Da schrieben eben die, die Zeit hatten, die man zwingen konnte oder die sich durch ausgesetzte Preise für Wissenswiederverwendung locken ließen. Das niedergelegte Wissen verschwand in Datenbanken, von denen niemand wusste und in denen folglich niemand suchte. In Eile muss man doch wissen, wo sich etwas befindet! Es geht nicht darum, dass es nur da ist! Wer also dringend etwas suchte, nahm dann doch schnell Google, nicht wahr? Und suchte „draußen“, wo alles ist, vielleicht zuerst in der Wikipedia, in der das meiste steht.

Bitte bedenken Sie doch! Man muss mit sehr wenig Zeit des Einzelnen sehr viel Nutzen für sehr viele Leute stiften, nicht mit viel Zeit des Einzelnen wenig Nutzen für wenige Leute.

Die Wikipedia zum Beispiel lebt von immer wieder vorgenommenen kleinen Verbesserungen und Änderungen von Leuten, die gerade mal etwas Zeit haben. Das ist DAS Modell! Die interne IBM Bluepedia wächst, derzeit 8000 Artikel von ca. 1500 Beitragenden.

Jetzt beginnt man aber wieder, den Mitarbeitern eigene Blogs zu empfehlen und Wikis anzulegen. Fieberhaft beginnen alle mit dem Bloggen und Posten, mit Wikis und Tagging. Das ist der neueste Schrei, Collaboration 2.0. Wieder wird übersehen, dass auf die Dauer kaum jemand Zeit hat, seinen Blog zu pflegen. Wieder weiß keiner, wo bei andern was steht und ob es gut ist, was da steht. Und die Wikis werden verwaisen, die Blogs veröden, weil das, was weltweit mit wechselnden Instantfreunden Spaß macht, zur organisierten Arbeit nicht ohne weiteres taugt. Die Digital Natives wenden Tonnen voll Zeit und Liebe für ihre digitale Freudenwelt auf, aber als Arbeitnehmer haben sie dann wieder Terminnot und werden das alles im Dienst lieber lassen. Das verstehen die Digital Naives nicht.

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Prof. Dr. Gunter Dueck
  • Kolumnist, Schriftsteller, Unternehmer
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