Zustellarbeit 4.0
Eine 360-Grad-Analyse am Beispiel der KEP-Branche
Manch ein Sci-Fi-Fan fiebert schon lange auf die Paketzustellung per Drohne, während andere sich schlicht wünschen, dass ihre Lieferung umweltfreundlicher wird. Welche Visionen werden Realität und worauf müssen wir noch eine Weile warten? Mit der Zukunft der Zustellarbeit beschäftigt sich eine Studie des Fraunhofer IAO. Dafür haben die Forscher*innen den aktuellen Erkenntnisstand erfasst und Gespräche mit zahlreichen Akteur*innen der Kurier-, Express- und Paketdienste (kurz: KEP-Branche) geführt. Ergebnis ist ein gründlicher Rundumblick, der zentrale Fragen beantwortet.
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Wie bekommen wir in Zukunft unsere Pakete? Und noch viel wichtiger: Wann und wo? Sendungsempfänger*innen verlangen immer mehr Autonomie in dieser Frage. Das wachsende Bedürfnis nach Flexibilität beim Bestellen ist ein treibender Impuls für neue Geschäftsmodelle und Innovationen im Bereich der (Paket-)Zustellung. Es ist wahrscheinlich, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit der Dienstleister in Zukunft daran bemisst, wie sie in diesem Segment aufgestellt sind, so die Einschätzung des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO.
Bereits existierende Lösungen für die flexible Zustellung sind die Wunschort und -zeitzustellung oder das weitreichende Netz von Packstationen, wie sie beispielweise DHL betreibt. Selbst zum Arbeitsplatz kann eine Bestellung geliefert werden.
Bild: Aleksej | Adobe Stock
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Welche Konzepte verfolgen Dienstleister, um verkehrlichen und ökologischen Herausforderungen gerecht zu werden? Klar ist: Umwelt- und klimafreundliche Lösungen braucht es nicht erst in Zukunft, sondern jetzt. Die Suche nach effizienteren und weniger Umwelt belastenden Formen der Zustellung ist auch im wirtschaftlichen Interesse der KEP-Unternehmen.
Viele Zustelldienste erproben bereits Alternativen: Zum einen setzen sie auf Fahrzeuge wie Lastenfahrräder und E-Autos. Zum anderen wird versucht, Sendungen auf der »letzten Meile« ihrer Reise zu bündeln, um die Zustellung damit effizienter und ökologisch nachhaltiger zu gestalten. Diese neuen Konzepte werfen jedoch nicht unerhebliche Probleme auf. Eines davon sind die für Abstell-, Lager- und Umschlagsplätze benötigten Flächen in Innenstadtbereichen.
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Die Online-Bestellung als Umweltsünde? Nicht erst seit der Corona-Pandemie boomt das Onlinegeschäft, die Paketsendungsmengen sind in den letzten fünf Jahren um rund ein Viertel gestiegen. Auch die Sendungsstruktur hat sich verändert: Kürzere Bestellintervalle und weniger Waren pro Bestellung bedeuten mehr und kleinere Sendungen und eine tendenzielle Zunahme der Zustellverkehre und Zustellstopps. Dass die Online-Warenbestellung per se umweltschädlicher als der Einkauf im stationären Einzelhandel ist, lässt sich jedoch nicht feststellen. Sie kann aus verkehrlicher und ökologischer Sicht durchaus effizienter sein, wenn damit lange, singuläre Einkaufsfahrten ersetzt werden.
Die Frage nach einer grundsätzlichen Umweltschädlichkeit der Online-Bestellung lässt sich aufgrund vielfältiger Einflussfaktoren nicht beantworten. So ist die Gesamtverkehrsbilanz durch E-Commerce ist laut Erkenntnissen der Studie des Fraunhofer-Instituts kaum abzuschätzen.
Bild: Fraunhofer IAO
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Wird Zustellarbeit automatisiert oder durch KI ersetzt? Das ist laut Erkenntnissen der Studie des Fraunhofer IAO eher unwahrscheinlich. Durch die aktuellen Regularien ist der Einsatz von den autonomen Helferlein wie etwa Drohnen oder Robotern ist zum jetzigen Zeitpunkt weder effizient noch gesellschaftlich akzeptiert.
Lediglich Arbeiten in den Logistik-Depots könnten Drohnen den menschlichen Mitarbeiter*innen abnehmen: So können sie zum Beispiel – wie aktuell bereits bei der Deutschen Post – die Überwachung des Außengeländes oder das Scannen von Waren, die sich auf Hochregallagern befinden, übernehmen.
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Ein Bereich in den KI sicherlich Einzug halten wird, ist die intelligente Planung. So könnten Touren und Routen flexibel verändert und in Echtzeit geplant werden. Zum Beispiel, wenn kurzfristig Pakete in den Zustellprozess ein- oder ausgeschleust werden. An lernenden und sich selbst optimierenden Systemen wird bereits gearbeitet, sodass ein baldiger Einsatz nicht unwahrscheinlich ist.
Algorithmen könnten berücksichtigen, wie gut sich bestimmte Zusteller*innen im Stadtgebiet auskennen. Es bestünde die Möglichkeit, unerfahrene Mitarbeiter*innen zu unterstützen, indem Tourenplanung und Sendungsmenge für sie angepasst werden und ihnen nützliche Informationen – zum Beispiel über Parkmöglichkeiten, Lieferanteneingänge und vieles mehr zu übermitteln. Der Wissenstransfer mit Softwareunterstützung könnte die Produktivität enorm erhöhen.
Bild: Fraunhofer IAO
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Auch Daten werden eine immer größere Rolle spielen. Die Nutzung von Daten ermöglicht es, Geschäftsprozesse stärker auf Kund*innen auszurichten und unter Anderem Zustellzeiten genauer zu prognostizieren. Zurzeit werden Systeme pilotiert, die auf Basis des tatsächlichen Sendungsaufkommens für die jeweilige Route die Zustellzeit berechnen. Derzeit mit einem Puffer von einer Stunde, doch durch ein Trainieren der Algorithmen könnten diese so genaue Berechnungen anstellen, dass nur noch ein Puffer von 15 Minuten notwendig ist. Informationen zur Zustellzeit bieten DHL und DPD bereits an – sie nutzen hierfür ein (aus Sicherheitsgründen zeitlich etwas verzögertes) Livetracking.
Das zeigt: Sicherheit und insbesondere Datensicherheit wird in der Zustellbranche an Wichtigkeit gewinnen, je mehr Daten über Mitarbeiter*innen und Empfänger*innen eine Rolle spielen. Der Schutz vor Missbrauch zu kriminellen Zwecken muss gewährleistet werden.
Bild: Fraunhofer IAO
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Bei allen technischen Innovationen – welche Rolle wird der Mensch in Zukunft noch im Zustellgewerbe spielen? Personell sind viele KEP an der Belastungsgrenze: das Sendungsaufkommen ist hoch, aber es herrscht eine hohe Fluktuation der Fahrer*innen. Das liegt daran, dass die körperliche und psychische Belastung von Zusteller*innen im Stadtgebiet sehr hoch ist.
Entlastung für die Beschäftigten könnte geschaffen werden, indem man neue digitale Hilfestellungen bietet, die Mitarbeiter*innen das effiziente Abarbeiten von Sendungen erleichtert. Die Herausforderung im Zusammenhang mit Assistenzsystemen ist jedoch, den Mitarbeiter*innen auch noch Entscheidungsspielräume zu lassen, anstatt den Arbeitsprozess eng vorzubestimmen.
Es ist laut der Studie des Fraunhofer IAO denkbar, dass Menschen sogar noch weitere, interaktive Dienstleistungen übernehmen. Das können z.B. Dienstleistungen zur Versorgung von Personen mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit sein: Bargeld überbringen, kleine Behördengänge oder häusliche Hilfsdienste.
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Welche Visionen werden Wirklichkeit? Klar ist: Es muss und wird sich in den kommenden Jahren einiges in der KEP-Branche ändern.
Hoffnungsvoll dürfen Online-Kund*innen in puncto Flexibilität sein. Profitieren können sie von bereits etablierten Konzepten wie Zustellung zu Wunschort und -Zeit und in naher Zukunft vermutlich auch von intelligenten Systemen. Gleichzeitig werden die Anforderungen an Datenschutz und Kontrolle an Bedeutung zunehmen.
Ob Zustellungen nachhaltiger werden, ist unklar, denn trotz E-Mobilität und Effizienzsteigerung bleiben beim Thema Ökologie viele Fragen und Probleme ungeklärt. Auch der Traum von Sci-Fi-Fans muss vorläufig platzen: An der Haustür werden sie wohl noch eine Weile mit dem Menschen, statt mit Drohnen vorliebnehmen müssen.
(mcz)
Bild: Fraunhofer IAO