Die Blockchain ist besonders für den Automobilbereich eine interessante Technologie. Car-Wallets sind bereits ein bekannter Use-Case, doch die Anwendung der Blockchain in Kryptowährungen kann zukünftig auch darüber hinaus von großem Interesse für die Automobilindustrie sein. Bereits in den vergangenen Wochen berichteten wir auf InnoVisions über die Blockchain und ihre möglichen Anwendungsgebiete, über die Vorteile und auch über aktuelle Probleme. Am Fraunhofer FIT beschäftigte man sich nun mit einer Art Weiterentwicklung der Blockchain, die im Bereich Platooning eingesetzt werden kann.

Am 27. Januar 2019 endete die erste Phase der MOBI Grand Challenge, des Wettbewerbs, bei welchem Teams weltweit versuchen, Blockchain-basierte Lösungen für den Bereich Mobilität/autonomes Fahren zu erarbeiten. Während des MOBI Kolloquiums am 14. und 15. Februar 2019 wurden aus den 23 teilnehmenden Teams die Sieger der ersten Runde verkündet. Ausgezeichnet wurden unter anderem die Studierenden der Universität Bayreuth Matthias Babel, Jonas Brügmann und Nicholas Ruhland, die sich unter der Leitung der Blockchain-Experten Prof. Dr. Gilbert Fridgen und Jannick Lockl vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT mit Blockchain-Anwendungen im Bereich Platooning beschäftigten. Das Ergebnis ihrer Forschung war die Entwicklung eines speziellen Platooning-Prototyps.

Die Studenten Matthias Babel, Jonas Brügmann und Nicholas Ruhland beschäftigten sich unter der Leitung der Blockchain-Experten Prof. Dr. Gilbert Fridgen und Jannick Lockl vom Fraunhofer FIT mit Blockchain-Anwendungen im Bereich Platooning. Bild: Fraunhofer FIT

Sensordaten koppeln Fahrzeuge

Das »in der Kolonne fahren« oder besser gesagt »Platooning« wird oftmals als Vorstufe zum autonomen Fahren betrachtet. Zwei oder mehr Fahrzeuge fahren in einem sehr geringen Abstand hintereinander. Dabei findet ein Austausch von verschiedenen Sensordaten der entsprechenden Fahrzeuge statt. Die Sensoren und der damit verbundene Datenaustausch ermöglichen eine Kopplung der Fahrzeuge untereinander, so dass die Fahrzeuge wie durch eine imaginäre Deichsel miteinander verbunden sind und dem Führungsfahrzeug ohne großartiges menschliches Zutun folgen können. Die Steuerungen von Gas- und Bremspedal sowie des Lenkrads erfolgen automatisch und angepasst an die Aktionen des ersten Fahrzeugs. Selbst fahren muss demnach nur der Fahrer im besagten Führungsfahrzeug. Daraus ergeben sich verschiedene Vorteile. Zum einen können die Fahrer der nachfolgenden Fahrzeuge die Zeit anders nutzen, da ein aktives, menschliches Eingreifen nur im Notfall notwendig ist. Selbst in diesem können die Sensoren aber in der Regel schneller reagieren, als der Mensch, was zusätzliche Sicherheit im Straßenverkehr bringen kann. Zum anderen wird auch der Verkehrsfluss verbessert, da durch die gleichbleibende Geschwindigkeit die optimale Nutzung des Verkehrsraums erfolgt. Optimiert wird aber vor allem der Kraftstoffverbrauch. Durch das Fahren im Windschatten wird dieser deutlich verringert, damit einhergehend findet auch eine Reduktion des Schadstoffausstoßes statt.

Platooning wurde bereits europaweit erprobt und die technische Machbarkeit so bestätigt. Auch in Deutschland gibt es eine entsprechende Teststrecke. Auf der A9 erproben DB Schenker und MAN erfolgreich LKW-Platooning. Durch diesen Platoon spart DB Schenker zweifelsohne Kosten. Da alle Lastkraftwagen dieser Spedition angehören, kann das Unternehmen am Ende der Testfahrt Kraftstoffersparnisse verzeichnen. Doch im üblichen Straßenbild fahren selten fünf LKWs dergleichen Spedition im Zug und die Kernidee des Platoonings ist eigentlich, dass verschiedene LKWs hintereinanderfahren. Damit der Vorteil, z.B. der Kraftstoffeinsparung, dann aber unter allen im Platoon beteiligten Fahrzeugen ausgeglichen werden kann und auch das Führungsfahrzeug profitiert, braucht es eine gegenseitige Verrechnung. Bisher gibt es keine solche Möglichkeit der Werteübertragung. Herkömmliche Zahlungsmethoden zu finden, die eine dynamische Verrechnung zwischen zwei Fahrzeugen ermöglichen, die sich unter Umständen auch noch nie getroffen haben, ist schwierig. Ziel der Forschung ist es also, die Möglichkeit zu schaffen, dass Fahrzeuge diesen Vorteil selbstständig ausgleichen können. Aus diesem Grund entwickelten die drei Studenten unter Leitung von Prof. Dr. Fridgen am Fraunhofer FIT den Blockchain-Prototypen und es zeigt sich, dass die Blockchain die optimale Lösung für das Problem sein könnte.

Durch den Prototyp eröffnen sich neue Perspektiven in Bezug auf das autonome Fahren. Bild: Fraunhofer FIT

Die Lösung nutzt IOTA

Im Platooning-Anwendungsfall geht es dabei aber um eine ganz spezielle Art der Blockchain, in der die Zahlungsfunktion eine wesentliche Rolle spielt. (Dass die Blockchain aber nicht ausschließlich auf den Bereich der Kryptowährungen beschränkt ist, berichteten wir bereits in vergangenen Artikeln, welche sich mit den Blockchain-Grundlagen beschäftigen.) Die Idee der Blockchain ist im Prinzip, dass einzelne Blöcke in einer Kette kryptografisch so miteinander verknüpft sind, dass eine Manipulation älterer Blöcke nicht mehr möglich ist. Ein Block entspricht dabei einer Liste von Transaktionen.

Der am Institut entwickelte Prototyp basiert allerdings auf IOTA. Dies ist eine der Blockchain verwandte, aber noch recht junge Technologie, die speziell zur Unterstützung der Maschine-zu-Maschine-Interaktion entwickelt worden ist. »Wir haben uns beim Bau des Prototypens natürlich Gedanken machen müssen, welches die geeignetste, aktuell verfügbare Technologie ist und das ist entsprechend IOTA«, sagt Prof. Dr. Gilbert Fridgen. »Im Grunde kann man IOTA als eine gewisse Art der Weiterentwicklung der Blockchain bezeichnen. Im Kern ist es genau genommen keine richtige Blockchain, über die wir hier sprechen, sondern ein etwas anderes Verfahren. Man nennt es einen ›gerichteten azyklischen Graphen.‹« Das bedeutet, IOTA hat eine andere Architektur als die bisher bekannten Blockchains, von der Nutzbarkeit gibt es allerdings keinen großen Unterschied. Es ist eine andere technische Umsetzung, die die Anwendungsgrundlagen nicht grundlegend verändert, aber weitere ins Spiel bring. Wie aber funktioniert diese Technologie genau?

Wie Faden und Seil

Die Frage, die der Nutzung der gerichteten azyklischen Graphen zugrunde liegt, ist im Prinzip: Warum werden – statt der linearen Kette – nicht mehrere Blöcke parallel angelegt, die dann jeweils auf mehrere, vorhergehende Blöcke kryptografisch zurückverweisen? »Durch diese Anordnung und Verknüpfung der Blöcke bildet sich eine Art Gewirr, ein sogenannter Tangle, der es ermöglicht viele Blöcke parallel nach vorne weiterzuschreiben«, erklärt Prof. Dr. Fridgen. Bildlich kann man sich diesen Tangle als ein geflochtenes Seil vorstellen. Die Blockchain hingegen ähnelt eher einem Faden. So unterscheiden sich die beiden Technologien im Aufbau.

Doch auch die Art der Block-Validierung funktioniert bei der Blockchain anders, als beim IOTA-Tangle. Bei letzterem wird zwar weiterhin eine Art des Proof-of-Work-Verfahrens zur Konsensfindung verwendet, auf das zeit- und leistungsaufwendige Mining wird allerdings verzichtet. Grund dafür ist, dass jede Transaktion, also jeder Block, der in dem IOTA-Tangle auftaucht, kryptografisch mit zwei vorhergehenden Blöcken verknüpft wird. Sobald die Blöcke verknüpft sind, ist eine Manipulation derselben äußerst schwierig. Schließlich müssen durch die Verknüpfung zwei Blöcke auf der vorhergehenden Ebene manipuliert werden und vier weitere auf einer weiteren Ebene danach, usw. Dieses Gewirr sorgt dafür, dass die Transaktionen – ab einer bestimmten Anzahl – unveränderbar sind.

Allerdings ist diese Struktur auch mit einer besonderen Regel verbunden: Jeder der eine Transaktion in das IOTA-Netzwerk einbringt, muss gleichzeitig zwei andere Transaktionen bestätigen.
Das klingt zunächst aufwendig, ist es aber gar nicht. Im Gegenteil. Diese Art der Blockchain-Weiterentwicklung bietet einige Vorteile gegenüber der üblichen Umsetzung. So soll sie z.B. die Performance erhöhen, also viele Transaktionen in kurzer Zeit ermöglichen. Des Weiteren werden die Ressourcenanforderungen deutlich heruntergesetzt. Optimale Voraussetzungen für eine Technologie, die Transaktionen zwischen Maschinen sicher und zuverlässig ermöglichen soll.

Der fertige Prototyp. Bild: Fraunhofer FIT

Praxisumsetzungen – Blockchain und Platoon

Ziel des Projekts war es anhand des Prototypens zu zeigen, wie Blockchain im Bereich Platooning funktionieren kann, um Vorteile unter den Fahrzeugen auszugleichen. Um das Konzept in die Anwendung zu bringen, also es in einen realen Use Case zu wandeln, müssen aber noch einige Fragen geklärt und Voraussetzungen geschaffen werden. Um eine anbieter- und herstellerübergreifende Lösung zu ermöglichen, benötigt es einen industrieweiten und offenen Standard, mit dem Platooning untereinander verrechnet werden kann. Jeder LKW – oder später vielleicht auch jeder PKW – der das entsprechende System unterstützt, soll sich dann in einen Platoon einklinken können. »Ob das langfristig über IOTA abgewickelt wird, ist jetzt natürlich noch nicht abzusehen. Aber in diesem Projekt hat es sehr gut funktioniert«, so Prof. Fridgen.

Prof. Dr. Gilbert Fridgen und die Studenten Matthias Babel, Jonas Brügmann und Nicholas Ruhland mit ihren Testmodellen. Bild: Fraunhofer FIT

Damit die Werteverrechnung der Fahrzeuge untereinander via Blockchain funktioniert, benötigen sie eine regelmäßige Anbindung ans Internet. Durch den kontinuierlichen Strom an Transaktionen als Kompensation für die Leistungen des führenden Fahrzeugs, ist eine Liquiditätsprüfung nicht notwendig. Falls keine Transaktionen für die Kompensation mehr übertragen werden, wird ganz einfach das Platooning abgebrochen. Auch eine stetige Internetverbindung muss nicht garantiert sein, da eine lokale Konsensfindung zwischen verschiedenen Fahrzeugen offline möglich ist. Hier bietet die Technologie einen großen Vorteil: »Eine signierte Transaktion kann vom Hintermann auch ohne Internetverbindung übernommen werden. Sobald einer der beiden LKWs wieder online ist, wird diese Transaktion dann ins Gesamtsystem übernommen und die Kontostände werden entsprechend angepasst«, erläutert Prof. Fridgen. Außerdem wäre auch ein lokaler Konsens möglich, der zeitweise ohne Internetverbindung funktionieren würde. Das sei natürlich in einem gewissen Maße theoretisch manipulierbar. Andererseits sind die Einzelbeträge, die beim Platooning übertragen werden, so gering, dass diese Manipulation auch schon wieder unwahrscheinlich ist.
An den Lösungen solcher Probleme und der Beantwortung weiterer Fragen, wie: Inwiefern ist der Mensch im Notfall noch in der Lage einzugreifen? Was passiert, wenn ein LKW-Platoon an einer Ausfahrt vorbeifährt und ein PKW versucht einzuscheren, um diese Ausfahrt zu nehmen? - wird bereits gearbeitet. Auch im Blockchain-Lab des Fraunhofer FIT setzt man sich weiter mit dem Thema Platooning auseinander. Um die Anwendungen zu testen, gibt es dort auch Gespräche mit verschiedenen Automobilherstellern.

(cst)

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