Keine Infrastruktur ist »gut« oder »böse«. Das gilt auch für das Darknet. Denn während es einerseits als krimineller Handelsplatz verpönt ist, ist es andererseits ein vielschichtiges Instrument zur anonymen und damit freien Meinungsäußerung. Im Projekt PANDA arbeitet das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie SIT gemeinsam mit Nachwuchswissenschaftler*innen daran, diesen »dual use« näher zu beleuchten und mehr Licht ins Dunkel des Darknet zu bringen. Im Interview erklärt Prof. Martin Steinebach die Hintergründe und erläutert erste Ergebnisse.

Hallo Herr Steinebach, in der Regel setzen Internetnutzer*innen das Darknet mit einem Ort für kriminelle Machenschaften gleich. Sie aber sehen eher das Potenzial?

Ich weiß, dass das Image des Darknet schlecht ist. Dabei kann man es auch anders sehen. Es ist ein Garant für Anonymität. Es ermöglicht uns Bürger*innen eine Privatheit, die immer wichtiger wird. Wir brauchen Möglichkeiten, um zu kommunizieren und uns im Netz zu bewegen, ohne dass unsere IP-Adresse nachverfolgbar ist.

Es geht also um die Frage, wie man das Netz so organisieren kann, dass man politisch frei agiert, ohne dass es zu Missbrauch kommt.

Richtig. Das Darknet bietet die Möglichkeit, sich über politische Entwicklungen auszutauschen, ohne dass Nutzer*innen von einem Staat in irgendeiner Weise identifiziert und gegängelt werden können. Dazu gehört übrigens auch das Recht auf Vergessen. Im Tor-Netz beispielsweise wird das Vergessen leichter möglich, weil es keine Verknüpfung zu einer konkreten Person gibt. Die negative Seite allerdings ist die Möglichkeit, sich digital auch über kriminelle Inhalte auszutauschen, etwa zu Kinderpornografie oder Bauplänen von beispielsweise Sprengkörpern.

Und nicht nur das: Die Anonymität erlaubt auch den Kauf von Drogen oder Waffen, ohne erwischt zu werden.

Das stimmt so nicht. Denn diese Anonymität ist gerade für kriminelle Käufer*innen auch der größte Nachteil. Eine Vielzahl von Drogen- und vor allem Waffenshops sind schlicht Scams, also Betrug. Wer in einem Darknet eine Waffe in den Warenkorb legt und dann Bitcoins überweist, hört häufig nichts mehr von dem Shop und hat keine Möglichkeit, sich abzusichern.

Diese Form von Aufklärung ist aber nicht das primäre Ziel des Projekts PANDA, das Sie am Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie SIT betreiben.

PANDA ist ein Projekt, das neben einer technischen Analyse auch die Chancen und Risiken und die soziale Bedeutung von Anonymität im Netz aufzeigen soll. Dafür arbeiten Nachwuchswissenschaftler*innen aus verschiedenen Fächern wie Jura, Soziologie, Psychologie und Informatik zusammen. Einer der entscheidenden Vorteile dabei ist die Unterschiedlichkeit der Herangehensweisen. Während es auf der einen Seite beispielsweise Interviews und Befragungen gab, die eher die soziale Komponente eines Darknet abdecken, haben wir uns am Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie SIT eher auf Methoden konzentriert, mit denen mensch analysieren kann, wie anonym die Kommunikation in einem Darknet tatsächlich ist.

Sie sprechen von einem Darknet?

Das eine Darknet gibt es letztlich nicht. Nutzer*innen meinen mit Darknet meist das Tor-Net-Protokoll. Aber es gibt eine ganze Reihe verschiedener Netze, die alle außerhalb der üblichen World-Wide-Web-Erreichbarkeit und -Durchsuchbarkeit liegen. Alle diese Netze realisieren die anonyme Kommunikation durch ihr Protokoll und ermöglichen damit Zensurfreiheit. Niemand weiß, wo der Server steht. Er kann also nicht so einfach abgeschaltet werden.

Das Tor-Protokoll beispielsweise wird beständig weiterentwickelt, aber es werden immer wieder auch Schwachstellen gefunden, die es Expert*innen dann doch erlauben, einzelne Server zu identifizieren.

Genau wie jede andere IT-Infrastruktur ist auch das Tor-System nicht frei von Fehlern. Aber das zu analysieren ist nur eine Komponente unserer Aufgaben. Im Gegensatz zum Clearnet, bei dem in der Regel zu speziellen Vorschlägen auch noch weitere sinnvolle Treffer angezeigt werden, bietet das Darknet meist nur sehr konkrete, einzelne Ergebnisse an. Das wiederum ändert das Nutzungsverhalten der User*innen.

… allerdings dürften Sie das Nutzer*innenverhalten kaum exakt ermitteln können. Ein Darknet ist nicht sonderlich transparent.

Einiges können wir schon festhalten. Beispielsweise, dass die Strukturen des Darknet vor allem von Bot-Netzen intensiv genutzt werden, um Informationen auszutauschen. Und wir können auch sagen, dass es einer Vielzahl von Nutzer*innen nicht darum ging, die Drogenmarktplätze des Darknet zu besuchen, sondern um sich politisch zu informieren. Das gilt natürlich vor allem für Nutzer*innen aus Regionen, in denen das Verbreiten und der Zugang zu politischen Informationen eingeschränkt oder unmöglich ist. Auch wenn absolute Zahlen nicht zu ermitteln sind: Die Nutzung dieser politischen Hidden Services ist deutlich intensiver und breiter als bislang angenommen.

Ein Ziel des Projekts PANDA ist es, als eine Art »Pusher« für akademische Forschung im Bereich Darknet zu fungieren.

Im Projekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, orientieren wir uns an sehr konkreten Forschungsfragen. Wir wollen beispielsweise klären, welche Chancen und Risiken ein Darknet bringt, wie sich Teile eines Darknet anhand ihrer potenziellen Gefahren klassifizieren lassen oder wie groß die Einstiegshürde für illegale Aktivitäten ist. Und wir wollen wissen, welche potenziellen Auswirkungen die einfache Verfügbarkeit anonymer Kommunikations- und Handelsformen auf die Gesellschaft hat. Außerdem gehen wir der Frage nach, wie und zu welchen Kosten sich die Gesellschaft vor dem Missbrauch schützen kann.

PANDA ist primär ein Nachwuchsförderprojekt.

Richtig. Es gibt jetzt Nachwuchswissenschaftler*innen, die im Rahmen des Projekts ihre Dissertation über das Darknet schreiben. Ziel ist es unter anderem, Mythen zu erfassen und interdisziplinär Strategien zu entwickeln, wie wir zu einem besseren Verständnis des Darknet kommen. Später können daraus sogar Forschungsgruppen entstehen. Dass es im Moment zu Verzögerungen kommt, liegt vermutlich auch daran, dass unser Nachwuchsgruppenleiter sehr erfolgreich war und in die USA abgeworben wurde. Auf der anderen Seite sind erste Abschlussarbeiten zum Darknet fertig. Es gibt Lehrveranstaltungen zu diesem Thema und es ist ein Netzwerk zur weiteren Erforschung quer durch verschiedene Universitäten entstanden.

(aku)

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Prof. Dr. Martin Steinebach
  • Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie SIT
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