Der Ton macht die Musik. In der Premiumklasse wird neben Sicherheit und Fahrkomfort auch die Klangfülle der Musikanlage zu einem wichtigen Kaufargument für ein Fahrzeug. In einem fünfjährigen Forschungsprogramm ist es Forschern des Fraunhofer IDMT und Ingenieuren der Audi AG nun gelungen, ein Soundsystem in ein Serienfahrzeug zu integrieren, das auf der Wellenfeldsynthese basiert. Das weltweit einmalige 3D-Audio-System beurteilen Klangexperten als »Quantensprung in der Raumklangtechnik«.

Die Vorstellung ist abstrus und – zugegeben – eher theoretisch. Trotzdem aber könnte es für den wahren Hörgenuss künftig sinnvoller sein, einfach in die Garage zu gehen und sich in den eigenen Wagen zu setzen, um Musik dort wie live zu erleben – statt mit dem Fahrzeug zu einer Musikaufführung zu fahren und einen akustisch weniger geeigneten Platz zu riskieren. Denn Ingenieuren der Audi AG und Forschern des Fraunhofer IDMT ist es erstmals gelungen, die Akustik eines Konzertsaals quasi ins Auto zu holen. Die Ergebnisse des über fünf Jahre dauernden und nun abgeschlossenen Pilotprojekts »Audi Sound Concept« sind so revolutionär, dass HiFi-Magazine von einem »Akustik-Hammer« und einer »Revolution in der Raumklangtechnik« schreiben. Die bahnbrechende Idee hinter dem rollenden HiFi-Studio baut auf der Wellenfeldsynthese auf, deren Grundlagen an der Universität Delft in den Niederlanden gelegt wurden, und mit der die Experten am Fraunhofer IDMT seit über zehn Jahren forschen. Sie besagt, dass die Front jeder beliebigen Welle auch als Überlagerung einzelner Wellen betrachtet werden kann. In der Akustik heißt das: Eine Schallwelle wird durch eine Vielzahl kleiner Schallquellen erzeugt, die dicht nebeneinander im gesamten Wiedergaberaum platziert werden. Dieses Wissen haben die Forscher zur Entwicklung der Wellenfeldsynthese-Technologie genutzt, einem 3D-Verfahren, bei dem ein Ring von Lautsprechern viele einzelne Schallwellen erzeugt, die sich überlagern.

Deshalb haben die Ingenieure im Innenraum eines Audi Q7 prototypisch 62 Lautsprecher installiert – je fünf Tief- und Hochtöner sowie 52 Mitteltöner, die in der Instrumententafel unter der Frontscheibe, in den Dachpfosten und in den Türen sitzen. Um jeweils fünf weitere Einheiten in jede Türbrüstung integrieren zu können, haben die Audi-Spezialisten zusätzlich das Blech ausgeschnitten, neue Blenden gefertigt und die Griffe der Türbetätigung nach unten verlegt. Die Technik ist mittlerweile so ausgereift, dass die nötige Signalverarbeitung von einem handelsüblichen Laptop übernommen werden kann.

Selbst bei konventionellen Stereosignalen können nun Klänge erzeugt werden, als ob die Lautsprecher weit außerhalb des Autos stünden. Die Karosserie löst sich quasi akustisch in Luft auf. Ein Gesang beispielsweise flüstert von weit links ans Ohr, scheinbar aus einer Ecke eines virtuellen Raums, die Gitarre begleitet die Stimme aus der gegenüberliegenden Position. Klangquellen lassen sich also frei im Raum anordnen, als ob sie schweben. »Zudem wird es möglich, jeden beliebigen Raumeindruck dazuzurechnen. Und zwar nicht als einfachen Soundeffekt, sondern als physikalisch exakte Simulation«, erklärt Michael Strauß vom Fraunhofer IDMT. Akustische Eindrücke wie diese sind dabei auf allen Plätzen im Fahrzeug gleich gut wahrnehmbar, unabhängig davon, ob der Hörer hinter dem Lenkrad oder auf dem rechten Platz im Fond des Audi Q7 sitzt. Eine vom Fraunhofer IDMT entwickelte Oberfläche erlaubt zudem eine ausgeklügelte Bedienung und Gestaltung der Klangszenen im Auto.

»Ein Fahrzeug mit einem derartigen Klangsystem auszustatten ist für Forscher ein besonderer Anreiz«, erklärt Strauß. Es habe multiple Herausforderungen gegeben: Dazu gehört zum einen das sehr kleine Raumvolumen eines Fahrzeugs. Und zum anderen die Verschiedenartigkeit der Flächen, von denen die Schallwellen reflektiert werden: Vom weichen (dumpfen) Bezug bis zu (tendenziell klirrenden) Glasscheiben. Vor allem aber die geeignete Platzierung dutzender Lautsprecher sei der eigentlich limitierende Faktor für einen »fahrenden Konzertsaal«.

Ob das entwickelte Soundsystem trotzdem zukünftig auch in einem Serienfahrzeug zu finden sein wird, beantwortet Denis Credé, Leiter der Soundentwicklung bei Audi mit dem Hinweis auf die grundlegende Bedeutung des Forschungsprojekts: »Unser Ziel war es, das technisch Machbare darzustellen, die Grenzen auszuloten. Die Erkenntnisse, die wir in diesem Projekt gewinnen, werden wir in die Soundsysteme von morgen integrieren.«
Das sei wie im Motorsport: Vieles von dem, was zuerst auf den Rennstrecken dieser Welt ausprobiert wird, findet sich später in abgewandelter Form in den Serienfahrzeugen wieder.(jh)

Keine Kommentare vorhanden

Das Kommentarfeld darf nicht leer sein
Bitte einen Namen angeben
Bitte valide E-Mail-Adresse angeben
Sicherheits-Check:
Neun + = 11
Bitte Zahl eintragen!
image description
Expertin
Alle anzeigen
Michael Strauß
  • Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT
Dr. Sandra Brix
  • Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT
Weitere Artikel
Alle anzeigen
Expo 2020 in Dubai
Klingt einfach, und besser
Vernetzte Produktion – einfach über IP
Stellenangebote
Alle anzeigen