Das Kompetenzzentrum Öffentliche IT (ÖFIT) des Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS arbeitet an der Erforschung und Entwicklung der öffentlichen IT. Seit über vier Jahren erstellt ein Team aus rund einem Dutzend Forschern am Fraunhofer FOKUS Analysen zum Status quo der digitalen Entwicklung im öffentlichen Raum, informiert Bürgerinnen und Bürger über Zukunftsaspekte und gibt konkrete Handlungsempfehlungen für die Politik. Dr. Mike Weber vom ÖFIT klärt auf über seine Aufgaben und den Stand der Digitalisierung in Deutschland.

Hallo Herr Weber, würden Sie mir widersprechen, wenn ich das Kompetenzzentrum Öffentliche IT als eine Art »Pusher« für die Digitalisierung im öffentlichen Raum bezeichne?

Auf keinen Fall! Ich würde es allerdings etwas differenzierter beschreiben. Das Kompetenzzentrum Öffentliche IT des Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS ist eine neutrale Institution, die sich anwendungsorientiert und politikberatend mit diesem Themenfeld auseinandersetzt. Wir sind eine Denkfabrik für Fragen der öffentlichen IT, wobei wir vor allem auf technologische und gesellschaftliche Trends und die sich daraus ergebenden Handlungsfelder achten. Wir erstellen Studien, arbeiten Handlungskonzepte aus und unterstützen vor allem das Bundesministerium des Innern (BMI) bei seiner Arbeit, den Prozess der öffentlichen Digitalisierung mitzugestalten. Ziel ist es, die Chancen der Digitalisierung in öffentlichen Institutionen besser zu nutzen und eine sichere Infrastruktur aufzubauen. Dabei helfen beispielsweise unsere aktuellen Forschungsarbeiten, deren Ergebnisse unter anderem in frei beziehbaren White Papers eingesehen werden können.

Was unterscheidet das ÖFIT von anderen Institutionen, die ähnliche Aufgaben übernehmen?

Jeder arbeitet auf seine Weise, aber für das ÖFIT dürfen wir wohl in Anspruch nehmen, Prozesse sehr konkret und effektiv voranzubringen. Weil wir dafür auch die generelle Expertise des Fraunhofer FOKUS nutzen können, endet fast jedes unserer Papiere mit Handlungsempfehlungen. Wie stark diese Papiere berücksichtigt werden, lässt sich vielleicht auch an der Nachfrage nach unseren Arbeiten ablesen.

Ihre Whitepaper etwa zu den Themen »Mythos Blockchain« und »Safety und Security« aus dem Blickwinkel der öffentlichen IT oder die ÖFIT-Trendschau mit aktuellen Themen wie Social Bots, 5G oder Digitaler Sport, für die Sie teilweise bis zu 60.000 wissenschaftliche Papiere analysiert, zusammengefasst und bewertet haben, sind zu einem viel beachteten Unterstützer für Entscheider in der digitalen Welt geworden.

Die Veröffentlichungen sind allerdings nur ein Teil unseres »Outputs«. Dazu kommen noch zahlreiche beratende Termine und Workshops, bei denen die Erkenntnisse letztlich in Richtlinien und damit konkrete Politik umgesetzt werden. Es ist dann immer wieder schön zu sehen, wenn unsere Arbeiten direkt oder indirekt in konkrete Politik umgesetzt werden.

Der Fokus Ihrer Arbeit liegt ganz offensichtlich auf der Bundesebene.

In erster Linie arbeiten wir auf Bundesebene, aber natürlich betrifft die Digitalisierung im öffentlichen Raum auch andere Ebenen der öffentlichen Hand. Wir haben deshalb natürlich auch eine rege Nachfrage aus dem Landes- und Kommunalbereich. Beispielsweise wenn es um Vorträge über die Möglichkeiten und den Aufbau einer kommunalen digitalen Infrastruktur für den Bereich E‑Government geht. Zusätzlich registrieren wir aber auch ein hohes Interesse bei Bürgerinnen und Bürgern. Etwa wenn es um Fragen zum Datenschutz geht.

Vermutlich liegt das auch daran, dass Sie auf Ihrer Webseite eine »Werkstatt« mit kleinen Tools anbieten.

Dabei geht es um Umfragen beziehungsweise deren Ergebnisse oder auch einen »ÖFIT-Atlas« zur Digitalisierung der Welt. Für die etwas Verspielteren haben wir beispielsweise auch ein Schneckenrennen zu Twitter-Themen programmiert. Aber wir sind mit Werkzeugen auch auf Messen wie der CeBIT präsent. Hier haben wir in diesem Jahr zum Beispiel einen interaktiven Demonstrator vorgestellt. Er zeigt unterschiedliche Zugänge zu digitalen Verwaltungsangeboten. So konnten wir zeigen, wie ein nutzerfreundliches digitales Dachportal zu den vielfältigen Angeboten von Bund, Ländern und Kommunen aussehen könnte. Es ist ein wichtiger Aspekt unserer Arbeit, Ideen konkret greifbar zu machen.

Sie haben seit dem 1. Juli 2017 einen neuen Leiter?

Ja. Wir sind sehr froh, dass Herr Peter Parycek, Professor an der Donau-Universität Krems, für die Aufgabe gewinnen konnten. Er bringt umfassende Erfahrungen als Leiter des Departments für E-Governance in Wirtschaft und Verwaltung in Krems mit. Als Rechtsinformatiker kann er überdies viel Praxiserfahrung aus mehrjähriger Beratertätigkeit etwa für das österreichische Bundeskanzleramt vorweisen. Wir freuen uns, die Arbeit von ÖFIT gemeinsam weiter zu entwickeln.

Wie kommen Sie an Ihre Themen?

Wir nutzen diverse wissenschaftliche Strategien und Prozesse, die wir in einem umfassenden Methodenbaukasten beschrieben haben. Aber jenseits dieser rein formalen Vorgehensweise ist eine Art Trendscouting mitentscheidend. Für uns bedeutet das unter anderem: Konferenzen besuchen, mit Leuten reden und sich umfassend informiert halten. Welche Themen im Bereich Digitalisierung des öffentlichen Raums werden in den kommenden Monaten und Jahren an Bedeutung zunehmen? Wie steht es um Zweckmäßigkeit, Sicherheit und Komplexität? Wie nützlich ist die intensive Behandlung eines Themas? Aus diesen Topics entwickeln wir einen Forschungsplan, den wir alle zwei Jahre neu aufstellen und mit dem BMI abstimmen. Aber wir müssen natürlich auch auf aktuelle Themen zügig reagieren. Blockchain beispielsweise ist ein Thema, das recht unvermittelt »aufgepoppt« ist. Dabei geht es um die Frage, wie Werttransaktionen zwischen in der Regel unbekannten Teilnehmern sicher durchgeführt werden können. Hier erwarten Politik und Bürger zu Recht zügig fundierte Antworten von uns, die wir dann auch gegeben haben.

Vermutlich verbinden die Bürger aber wohl vor allem den Bereich E-Government und digitale Partizipation mit der Digitalisierung im öffentlichen Raum.

Das liegt wohl auch daran, dass die Entwicklungen hier für jeden Einzelnen von uns den Partizipationskomfort erhöhen. Mittlerweile nutzt mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland die Möglichkeit, Anliegen digital an die Verwaltung zu übermitteln. Aber auch vonseiten der Politik und Verwaltung werden immer mehr Themenfelder gesetzt, die weit über die einfache Partizipation durch das Abrufen digitaler Dokumente oder unter Umständen auch Abstimmungen hinausgehen: Durch neue Formen der Datenerhebung beispielsweise lässt sich eine deutlich bürgerfreundlichere Politik betreiben. Denken Sie an eine Kommunikationsplattform für Bürgerbeobachtungen, um die Administration über Schlaglöcher oder überquellende Mülleimer zu informieren. Oder an Apps, die individuelle Routenplanungen mit Echtzeitinformationen über Störungen im öffentlichen Nahverkehr ermöglichen.

Trotzdem: Das ÖFIT arbeitet jetzt seit gut vier Jahren. Manchmal scheint es, dass Möglichkeiten digitaler Technologie im öffentlichen Raum noch zu wenig erkannt werden.

Unter Umständen hat diese Einschätzung damit zu tun, dass viele Bürgerinnen und Bürger ein sehr diffuses Bild haben und bei »Digitalisierung im öffentlichen Raum« vor allem die Verwaltung im Blick haben ‒ zumal die Entwicklungsgeschwindigkeiten je nach Themenfeld und Region teils sehr unterschiedlich sind. Aber selbst bei der E-Verwaltung tut sich eine ganze Menge – obwohl die Prozesse hier sehr sensibel sind und ein entsprechend umsichtiger Umgang etwa mit Verwaltungsdaten geboten ist. Und wenn Sie den Blick ein bisschen weiten und den gesamten öffentlichen Sektor betrachten, sehen Sie zum Beispiel, dass die Lücken beim Breitbandausbau immer kleiner werden. Damit hängen unmittelbar auch deutlich positive Entwicklungen in den Bereichen IT-Infrastruktur, Versorgung, Forschung, Bürgerservices, kommunale Webportale oder digitale Bildungsangebote zusammen. Allerdings ist die technische Entwicklung so rasant, dass wir in der Beurteilung des Nutzens und bei der Ausarbeitung von Konzepten zur optimalen Umsetzung und Nutzung auch in den kommenden Jahren voll ausgelastet sein werden.

(aku)

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