Freie Felder sind zum Sinnbild für das Landleben geworden. Dass sie nicht eingezäunt werden, hat allerdings weniger romantische als pragmatische Gründe: Hecken oder Gitter sind zu teuer. Zudem ist das Betreten der Felder durch Unberechtigte in der Regel nicht mit Konsequenzen verbunden. Anders verhält es sich auf Experimental- und Testfeldern. Hier kann unberechtigter Zutritt die Messergebnisse verfälschen. Das Fraunhofer FKIE hat deshalb ein einfach aufzubauendes Monitoringsystem entwickelt. Es registriert Manipulationsversuche und kann im Zweifel einen Sicherheitsdienst alarmieren.

Was auf den Feldern und Äckern weltweit wächst, muss jeden Tag zusätzliche 225.000 Menschen ernähren. Tag für Tag vermehrt sich die Weltbevölkerung in der Größenordnung einer Stadt wie Mainz, Krefeld oder Freiburg. Die Landwirtschaft rund um den Globus muss also immer leistungsfähiger werden. Aber nicht nur das. Zusätzlich entwickelt sich der Klimawandel zu einer immer größer werdenden Herausforderung für den Lebensmittelanbau. Auswirkungen wie höhere Durchschnittstemperaturen, ungewöhnliche Hitzeperioden und ausbleibende oder unregelmäßigere Niederschläge führen dazu, dass vielerorts bewährte Pflanzensorten nicht mehr so gut wie bisher üblich gedeihen. Zudem ermöglichen die neuen klimatischen Bedingungen Schädlingen und Pflanzenkrankheiten, sich auch in den Gebieten auszubreiten, in denen sie bisher nicht vorgekommen sind. Die Pflanzenforschung versucht daher, neue Saatgutvarianten und veränderte Anbaumethoden zu entwickeln, um in der Landwirtschaft nachhaltig hohe Erträge zu sichern.
Die Arbeit der Forscher*innen in den Laboren und Gewächshäusern der Universitäten und Unternehmen ist aber nur Teil der Lösung. Integraler Bestandteil ihrer Arbeit ist die intensive Erprobung des Zusammenspiels von Saatgut, Anbaumethode und Pflanzenschutzmaßnahmen unter den realen klimatischen und bodenbiologischen Bedingungen der Gebiete, in der die jeweilige Neuentwicklung zum Einsatz kommen soll. Für ihre Versuchspflanzungen pachten die Unternehmen deshalb einzelne Ackerparzellen auf Agrarflächen der jeweiligen Zielregion. Hier testen die Forschungsteams neues Saatgut und alternative Bearbeitungsverfahren.
Die erzielten Ergebnisse sind für das jeweilige Entwicklungsprojekt entscheidend. Scheitert die Aufzucht, wirft das ein Forschungsprojekt um mindestens eine Wachstumsperiode, also in der Regel ein ganzes Jahr, zurück und verlängert für die Unternehmen damit die erfolgskritische „Time-to-Market“-Phase. »Für die Forschungsteams ist es daher extrem wichtig, dass sie den planmäßigen Verlauf eines Anbauversuches kontrollieren und verifizieren können«, erklärt Arne Schwarze vom Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE. Neben Vandalismus komme es gerade auf Versuchsfeldern großer Agrarunternehmen vor, dass die Anpflanzungen gezielt sabotiert oder durch das Verstreuen von Fremdsaatgut und das Ausbringen von Chemikalien irreversibel manipuliert werden. Die Forschungsergebnisse werden damit weitgehend unbrauchbar.

Flächenschutz ohne Zaun und Patrouille


Aber wie lässt sich ein unberechtigtes Betreten der Felder verhindern? Oder wie lässt sich zumindest erkennen, ob und auf welchem Teil eines Feldes eine Manipulation stattgefunden hat? Naheliegend wäre eine Einhegung der Felder im Sinne eines Perimeterschutzes. Dagegen sprechen jedoch gleich mehrere Aspekte: der hohe Aufwand, die enormen Kosten, die betrieblichen Beeinträchtigungen und nicht zuletzt die unfreiwillige Kennzeichnung des kritischen Areals. Weiterhin ist zu bedenken, dass die Versuchsfelder oft wechseln, um Wachstumstests unter verschiedenen Bedingungen und mit variierender Fruchtfolge durchzuführen. Wachdienste sind aufgrund der Größe und Abgelegenheit der Geländeebenfalls keine realistische Option. Das Fraunhofer FKIE hat deshalb eine Lösung entwickelt, die gleichermaßen flexibel und kostengünstig ist. Eine modular aufgebaute Überwachungsanlage, die ein lückenloses Monitoring von Freiflächen ermöglicht. Im Rahmen des Projekts »Sensor-based flexible area monitoring – SensFArM« haben Forscher*innen des Instituts gemeinsam mit der Bayer AG als Anwendungspartner und einem internationalen Sicherheitsdienstleister einen Prototypen dieses Systems entwickelt und bereits erfolgreich getestet.

Überwachung frei zugänglicher Areale


»Die Aufgaben, die unser System bewältigen muss, sind technisch äußerst anspruchsvoll«, betont Schwarze. Denn es soll nicht, wie bei den meisten großflächig arbeitenden Überwachungssystemen, das Geschehen schlicht aufzeichnen. Das System muss melderelevante Situationen zuverlässig erkennen, dokumentieren und Handlungsoptionen vorschlagen. Beispielsweise, wenn sich ein Fahrzeug oder Personen dem Areal gezielt nähern. Gleichzeitig muss auch gewährleistet sein, dass keine normalen Aktivitäten im öffentlichen Raum erfasst werden, denn das ist gesetzlich untersagt. Schwarze und sein Team setzen deshalb unter anderem statt der »klassischen« audiovisuellen Methoden seismische Detektoren ein. »Diese batteriebetriebenen Geräte arbeiten sehr energiesparend und lassen sich ohne viel Aufwand entlang der Feldränder in den Boden schrauben«, sagt Schwarze. Werden Erschütterungen, wie sie etwa durch Gewicht und Bewegung eines Menschen oder Fahrzeugs verursacht werden, von einem der Sensoren registriert, gibt er das Signal über seine Funkschnittstelle an andere Sensoren in der Umgebung weiter, die diese Meldung nun ihrerseits weiterleiten, bis das Signal von einem zentralen Knoten empfangen wird. Die Ereignisdetektion der seismischen Sensorik dient gegebenenfalls auch dazu, zusätzliche Sensoren wie optische Kameras, Infrarotkameras oder Radargeräte zu aktivieren, um das Geschehen näher analysieren zu können. Der zentrale Knoten, das »Herzstück« des Systems, verarbeitet alle erfassten Sensordaten im Hinblick auf das auslösende Ereignis. Dank eines speziell entwickelten Algorithmus analysiert und klassifiziert der Rechner die erfassten Informationen. »Auf diese Weise können wir zuverlässig unterscheiden, ob sich ‚nur‘ ein Tier dem kritischen Bereich nähert, oder ein Mensch oder ein Fahrzeug«, erklärt Schwarze. Bei der Klassifikation und initialen Bewertung des Ereignisses bezieht das System alle relevanten Daten ein. »Anhand der Bilddaten prüft das Monitoringsystem, ob sich tatsächlich Personen auf das Feld begeben. Ist das der Fall, könnte zunächst eine Ansprache über Lautsprecher erfolgen oder es wird der Sicherheitsdienst alarmiert«, so Schwarze.
Die Kameras sind im Experimentalsystem an einem Mast angebracht, der auf einem Pkw-Anhänger montiert ist. Hier sind auch die Recheneinheiten zur Zwischenspeicherung und Analyse der Sensordaten sowie Batterien oder ein Aggregat für die Stromversorgung und ein Modul für den Mobilfunk untergebracht. Ist an abgelegenen Versuchsfeldern keine direkte Einwahl in ein Mobilfunknetz möglich, lässt sich das System um mobile Funksender erweitern, mit denen die Lücke bis zur nächstgelegenen Funkzelle überbrückt werden kann. Die gesamte Monitoringsystem ist dabei modular aufgebaut. Dadurch lässt sich zum Beispiel Art und Anzahl der eingesetzten Sensoren je nach Anwendungsfall variieren.

Integrierte Security-Unterstützung und Dokumentation


Gesteuert wird das SensFArM-Monitoringsystem über eine am Fraunhofer FKIE entwickelte Benutzerschnittstelle für das Lagemanagement. Sie ist speziell darauf ausgerichtet, die technischen und organisatorischen Prozesse rund um Kontrolle und Sicherung der Testfelder optimal zu unterstützen. Im Falle einer Warnmeldung beispielsweise können die autorisierten Mitarbeiter*innen über die Lagedarstellung die entsprechende Videosequenz abrufen, um die Meldung zu verifizieren. »Damit kann überprüft werden, ob es sich um einen ernsthaften Vorfall oder lediglich um spielende Kinder handelt, die ihren Ball wieder aus dem Feld holen wollen«, erläutert Schwarze.
Zur genaueren Beurteilung bietet die Software auch Livebilder der Überwachungskameras und eine Lagedarstellung des Feldes, auf dem die Bewegungen der Personen im Feld markiert sind sowie eine Übersicht über eingeleitete und einleitbare nächste Schritte. »Das kann die Alarmierung des örtlich zuständigen Security-Teams sein. Das könnte aber auch das Einschalten heller Scheinwerfer auf dem Kameramast am Feld sein oder eine Lautsprecheransage«, sagt Schwarze.

App verhindert Fehlalarme


Könnte SensFArM allerdings lediglich feststellen, ob sich eine Person oder ein Fahrzeug auf dem Versuchsfeld befindet, wäre der Nutzen des Systems sehr begrenzt. Denn natürlich gibt es eine ganze Reihe von Menschen, die das Feld berechtigterweise betreten. Die Mitarbeiter*innen beispielsweise, die den Anbau und die Pflege der Pflanzen übernehmen. Oder das Forschungsteam, das den Verlauf des Anbauversuches regelmäßig vor Ort kontrolliert. Das Monitoringsystem würde also zahlreiche Fehlalarme produzieren, wenn es nicht zusätzlich zwischen berechtigtem und unberechtigtem Zutritt unterscheiden kann. »Das Problem haben wir mit einer App gelöst, die jeden berechtigten Zutritt automatisch gegenüber dem Monitoring-System authentifiziert«, sagt Schwarze. Ist die App aktiviert, meldet sie Standort und Bewegung des Smartphones über Mobilfunk an das Zentralsystem. Zusätzlich lässt sich der Grund der Feldbegehung eingeben. Dieses Prinzip bringt auch Vorteile für die Dokumentation der Feldversuche. In SensFArM sind dadurch lückenlos sämtliche auf dem im Wortsinn sensiblen Feld durchgeführten Arbeiten und Begehungen hinterlegt. Inklusive der Daten zu den ausführenden Personen, zu Beginn und Dauer und zu den Bewegungen innerhalb des Feldes.

Schaden durch Manipulationen begrenzen


Eines jedoch kann SensFArM nicht leisten: Die zeitliche Verzögerung zwischen der Warnmeldung und der Intervention so effektiv zu verkürzen, dass Eindringlinge in jedem Fall gestoppt werden können, bevor ein Schaden entsteht. Trotzdem ist das System auch dann hilfreich. Denn dank der gesammelten Informationen lässt sich sehr genau eingrenzen, in welchen Teilen eines Feldes eine Manipulation stattgefunden haben könnte. Für die übrige Fläche steht dann eindeutig fest, dass die Versuchsergebnisse unverfälscht sind und die Feldforschung fortgesetzt werden kann.
Experimental- und Testfelder zur Züchtung neuer Saatgutvarianten zu überwachen ist nicht der einzige Anwendungsfall, für den das Monitoringsystem eingesetzt werden kann. Die Technologien und Komponenten des Systems können schnell und flexibel an weitere Anforderungen angepasst werden. Das Fraunhofer FKIE arbeitet derzeit beispielsweise an einer erweiterten Variante des Systems für das Monitoring kritischer Liegenschaften im Energiesektor.

(stw)

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