Die Stromversorgung muss ausfallsicher funktionieren. Und sie muss bezahlbar sein. Bei der Instandhaltung ihrer Infrastruktur müssen die Netzbetreiber daher zuverlässig und kosteneffizient zugleich arbeiten. Digitale Messtechnik und Datenvernetzung ermöglichen hier neue, kostensparende Konzepte der Zustandsüberwachung. Bisher allerdings weitgehend nur in den Umspannwerken der Hoch- und Höchstspannungsnetze. Künftig soll digitale Mess- und Diagnosetechnik auch das Asset-Management für Ortsnetzstationen am Übergang zwischen der Mittel- und Niedrigspannungsebene effizienter und sicherer machen.

In die Schlagzeilen schaffen es Transformatorenhäuschen immer wieder. Allerdings geht es dabei nur selten um eine technische Störung. Stattdessen geht es um »Kunst am Kasten«, »Graffiti verschönert Stromkasten« oder um Kita-Kinder, die eine unansehnliche Netzstation zum Kunstwerk machen. Abgesehen von den lokalen Aktionen zur optischen Aufwertung der Beton- oder Stahlgehäuse geraten die Ortsnetzstationen aber kaum in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Dass sie in jeder Stadt und Gemeinde zu finden sind, scheint ebenso selbstverständlich zu sein, wie dass sie störungsfrei und zuverlässig den Strom aus dem Mittelspannungsnetz an das lokale Verteilungsnetz der Niedrigspannungsebene übergeben. Und dies allein in Deutschland an deutlich mehr als einer halben Million Standorten. Für die hohe Zuverlässigkeit gibt es allerdings auch eine einfache Erklärung: Jede Ortsnetzstation wird regelmäßig gewartet und instandgehalten – mit hohem Aufwand für Personal und Material.

Asset Management sicher und effizient gestalten

Aktuell orientiert sich das Planen der Instandhaltungsarbeiten oder des Auswechselns der Ortsnetzstationen noch fast ausschließlich an den persönlichen Erfahrungswerten der ausführenden Technikerteams und Statistiken: Auf Grundlage dieser teils eher individuellen Einschätzungen und verallgemeinernden Richtwerte legen die Netzbetreiber fest, in welchen Zeitabständen eine Anlage vor Ort inspiziert werden und nach wie vielen Jahren einzelne Komponenten der kompletten Einrichtung erneuert werden sollen. Diese Kombination aus proaktiver Inspektion und turnusmäßiger Erneuerung der Anlagen kann einen Ausfall der Netzeinheit wegen Verschleiß und Alterung in der Regel zwar weitestgehend ausschließen.

Allerdings hat die aktuell übliche Vorgehensweise auch entscheidende Nachteile: Sie verursacht einen hohen Zeitaufwand und berücksichtigt den individuellen Anlagenzustand nur bedingt. Denn bei ihren Vor-Ort-Inspektionen erhalten die Techniker immer nur eine Momentaufnahme des Zustandes der Anlage und dies im Abstand von mehreren Jahren. Gleichzeitig fordert die Bundesnetzagentur von den Stromnetzbetreibern jedoch eine nachweislich möglichst kostenoptimale Instandhaltungsstrategie. Um die Wartung und Erneuerung der Transformatorenstationen zielgerichteter und wirtschaftlich effizienter planen zu können, fehlen den Netzbetreibern derzeit aber die entscheidenden Daten. Genau diese wollen die Forschungspartner des vom BMWi geförderten Projekts »MAKSIM« nun liefern. Die acht Partner aus Wissenschaft und Industrie (das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT, das IAEW der RWTH Aachen University, die Maschinenfabrik Reinhausen, die Robert Bosch GmbH, die Fritz Driescher KG, die Regionetz GmbH sowie die Rheinische NETZGesellschaft mbH und die N-Ergie Netz GmbH) haben sich das Ziel gesetzt, ein System aus Mess- und Diagnosetechnik zu entwickeln, das eine kontinuierliche Überwachung der Komponenten der Ortsnetzstationen gewährleistet. »Und das zu einem Preis, der einen flächendeckenden Einsatz wirtschaftlich sinnvoll macht«, betont Jannis Kahlen vom Fraunhofer FIT.

Umfassende Zustandserfassung mit Standardsensoren

In den Umspannwerken der Hoch- und Höchstspannungsnetze sind digitale Messsysteme, die den Zustand der Anlagen kontinuierlich überwachen, bereits weit verbreitet. Als Benchmark für die Zustandserfassung in den Ortsnetzstationen eignen sich die Hochspannungssysteme aber nicht. Denn auch als »verkleinerte Version« für die Anlagen der niedrigeren Spannungsebenen wären sie schlicht zu kostspielig, um damit die große Anzahl an Stationen auszurüsten. Hinzu kommt, dass die Netzbetreiber von einer Ortsnetzstation nicht nur Daten zum technischen Funktionszustand der Transformatoren und der Schaltanlage selbst benötigen. Ebenso wichtig sind für sie aktuelle Informationen zum Zustand des Stahl- oder Betongehäuses als Gesamteinrichtung. Sind Dach oder Gehäuse noch dicht? Dringt Feuchtigkeit ein? Wie stark ist die Schmutzbelastung, die das Risiko eines Kurzschlusses erhöhen könnte?


Das MAKSIM-Team will all diese Fragen mit einer kompakten, technischen Lösung beantworten. Dazu haben die Forscherinnen und Forscher einen Monitoring-Kit entwickelt, der eine ganze Reihe verschiedener Sensoren enthält. »Jeder der genutzten Sensoren ist ein Produkt, das bereits in vielen anderen Anwendungszusammenhängen eingesetzt wird«, betont Kahlen. Entsprechend niedrig sind die Anschaffungskosten dieser Mikro-Elektromechanischen-Systeme (MEMS). Ein Beispiel ist ein Beschleunigungssensor, wie er auch in jedem Smartphone verbaut ist. Angebracht am Transformatorgehäuse lassen sich mit ihm Bewegungen und Vibrationen der Anlage messen und daraus potenziell Rückschlüsse auf den Verschleißzustand der stromdurchflossenen Bauteile ziehen. Außerdem umfasst das aktuelle Erprobungsmesssystem noch Temperatursensoren, einen Klimasensor, der die Luftfeuchte im Inneren der Station misst sowie einen Staubsensor und ein Mikrofon.

Analyse der Sensordaten als Lernprozess

Als Plattform, auf der die Messdaten der einzelnen Sensoren zusammengeführt und genutzt werden können, entwickelte das Wissenschaftlerteam des Fraunhofer FIT eine eigene IKT-Infrastruktur. In den Stationen vor Ort schafft sie die Voraussetzungen, um die Messdaten der einzelnen Sensoren einzusammeln und aufzubereiten. Eine LTE-Schnittstelle übernimmt zudem die Übertragung an die Datenbank eines zentralen Servers. Hier sollen künftig automatisierte Analysemethoden eine robuste Zustandsabschätzung der Komponenten in den einzelnen Ortsnetzstationen liefern. »Aktuell befinden wir uns allerdings noch mitten in einem Lernprozess, in dem wir unsere Modelle und Auswertungsalgorithmen zur Kombination und Bewertung der Sensordaten Schritt für Schritt verfeinern und verbessern«, sagt Kahlen. Zum Beispiel, um aus den Vibrationsmessungen zuverlässig zu unterscheiden, ob die Anlage im Normalbetrieb läuft oder einen Betriebszustand aufweist, der auf einen beginnenden Schaden hinweist. Um robuste Aussagen über den Zustand der Anlage treffen zu können, ist es möglicherweise auch notwendig, die Daten verschiedener Sensoren miteinander zu verknüpfen und die Datenprofile verschiedener Ortsnetzstationen miteinander zu vergleichen.

Zusätzlich beschäftigen sich die Forscherinnen und Forscher mit Details bezüglich der Vorverarbeitung, Übertragung und Speicherung der Sensordaten. Die Übertragung der Rohdaten des Mikrofons würde zum Beispiel die Kapazitäten der Funkverbindung über Gebühr belasten. Es geht also darum, Ansätze zu entwickeln, wie sich die Sensordaten bereits in der Transformatorenstation zu geeigneten Kennzahlen verdichten lassen. Gleichzeitig muss aber sichergestellt sein, dass dadurch keine relevanten Informationen verloren gehen, die beispielsweise für aussagekräftige Performancevergleiche zwischen den Ortsnetzstationen notwendig sind.
Aktuell haben die Projektpartner bereits zwölf Ortnetzstationen mit einem Prototyp ihres Monitoring-Kits ausgestattet. Sie liefern den Forscherinnen und Forschern unter Realbedingungen gewonnene Sensordaten. Und sie dienen als Testumgebung, um die neuentwickelten Verfahren zur Zustandsbewertung der Anlagen unter Realbedingungen erproben zu können.

(stw)

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