Die Forschungen zum Thema Flussbatterien, oder auch Redox-Flow-Batterien, sind im vollen Gange. Geklärt werden muss etwa, welche Stoffe geeignet sind, um große Mengen an Energie kosteneffizient zu speichern. Im Interview erklären Abteilungsleiter Virtual Material Design Dr. Jan Hamaekers und Senior Staff Scientist Dr. Astrid Maaß vom Fraunhofer SCAI die Vorteile der Speichertechnik. Und sie zeigen, welche Hürden noch überwunden werden müssen, um Flussbatterien im Kampf gegen die Klimakrise möglichst flächendeckend einsetzen zu können.

Hallo Herr Hamaekers, Hallo Frau Maaß. Das Fraunhofer-Institut für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen SCAI, für das Sie arbeiten, forscht gemeinsam mit zehn weiteren Projektpartner*innen und assoziierten Industrieunternehmen an »besseren Batterien«.

Hamaekers: … sagen wir eher: an »leistungsfähigeren Batterien«, beziehungsweise effizienten Alternativen zu herkömmlichen Lithium-Ionen-Akkus, wie sie derzeit beispielsweise in Häusern mit Fotovoltaikanlagen genutzt werden.

Maaß: Eigentlich gibt es effiziente und langlebige Redox-Flow-Batterien, an denen wir im Projekt »SONAR« arbeiten, schon seit einigen Jahrzehnten. Jetzt aber geht es darum, alternative Materialien zu finden und die Technik so anzupassen, dass sie hinsichtlich des jeweiligen spezifischen Einsatzprofils möglichst kostengünstig und effizient werden. Dafür brauchen wir wissenschaftlich valide Aussagen beispielsweise zur Lebensdauer und geeigneten Materialien.

Sie und viele weitere Forscher*innen sehen in den Redox-Flow-Batterien ein probates Mittel, Strom-Überschüsse, wie sie beispielsweise an wind- und sonnenreichen Tagen entstehen, im großen Maßstab zu speichern. Was zeichnet diese Form von Energiespeicher aus?

Hamaekers: Redox-Flow-Batterien oder kurz RFB bieten in der Tat einen vielversprechenden Ansatz: Obwohl die Energiedichte geringer ist als beispielsweise bei klassischen Lithium-Ionen-Speichern und RFB deshalb eigentlich mehr Platzbedarf haben, um eine vergleichbare Leistung zu bringen, egalisiert sich dieser Nachteil wieder. Denn im Unterschied zu Batteriespeichern, wie sie aktuell in Häusern und in Unternehmen genutzt werden, um überschüssige Wind- und Sonnenenergie zu speichern, sind Flussbatterien deutlich sicherer. Sie brennen nicht und können nicht explodieren. Auch das Recycling ist einfacher.

Maaß: Bei der Redox-Flow-Batterie werden die beiden flüssigen, energiespeichernden Elektrolyte in separaten Tanks gespeichert. Zwischen den beiden getrennten Kreisläufen liegt eine Membran, über die der Ionenaustausch erfolgt. Bei diesem System können Leistung und die Energiemenge unabhängig voneinander skaliert werden. Dabei bestimmt allein die eingesetzte Elektrolytmenge die Batteriekapazität und die Fläche der Membran sowie die Anzahl der elektrochemischen Zellen, also der Stacks, die Batterieleistung. Somit lassen sich Flussbatterien sehr gut an den jeweiligen Bedarf anpassen.

Auch wegen der nötigen Größe stoßen Lithium-Ionen-Akkus zunehmend an ihre Grenzen. Sie sind nicht beliebig skalierbar, für die Speicherung großer Mengen Energie sind sie sehr kostenintensiv und sie verlieren Kapazität beim Aufladen, bei niedrigen Temperaturen und im Zeitverlauf.

Maaß: Das sind wesentliche Gründe, warum wir nach Alternativen zu Lithium-Ionen-Batterien suchen und wir große Hoffnungen in Redox-Flow-Batterien setzen. Insbesondere wenn es um das Speichern großer Mengen Energie geht, beispielsweise um Wohnblöcke und vor allem energieintensive Unternehmen mit Strom in Zeitspannen zu versorgen, in denen die Produktion erneuerbarer Energien in einem nur geringen Ausmaß möglich ist.

Trotz der Vorteile: Es gibt vermutlich triftige Gründe, warum Flussbatterien nicht schon viel breiter im industriellen Maßstab genutzt werden.

Hamaekers: Entscheidend für die Zurückhaltung des Marktes ist mit Sicherheit nicht das Potenzial von RFB. Es sind die Kosten. Flussbatterien sind im Vergleich noch sehr teuer.
Maaß: Das liegt vor allem daran, dass bisher hauptsächlich Vanadium als Elektrolyt verwendet wird. Dieses ist mit seinen verschiedenen Oxidationsstufen dafür zwar bestens geeignet, kommt aber nicht in Europa vor und wird darüber hinaus auch für die Produktion von Stahl benötigt. Die langfristige und breite Versorgung könnte daher kritisch werden. Also rücken alternative Systeme wie zum Beispiel Zink-Brom, Wasserstoff-Brom- und All-Eisen oder aber auch organische Materialien in den Fokus.

Was genau ist Gegenstand der Forschungen im Projekt SONAR?

Hamaekers: »SONAR« wird von der Europäischen Kommission gefördert und soll den gesamten Entwicklungsprozess digital erfassen. Wir arbeiten also an Möglichkeiten, das Screening zur Identifizierung geeigneter Stoffe zu beschleunigen und die Voraussetzungen dazu zu schaffen, das Design eines Batteriesystems so zu optimieren, dass es zum jeweiligen Aufstellort und zu den Kundenanforderungen passt.

Maaß: Es geht also weniger darum, Flussbatterien an sich zu perfektionieren, sondern intelligente computergestützte Werkzeuge zu entwickeln, mit deren Hilfe die Industrie speziell angepasste Systeme bedeutend schneller entwickeln kann. Denn es ist wichtig, das technische und wirtschaftliche Potenzial einer neuen Technologie bereits in der frühen Entwicklungsphase einschätzen zu können. Allerdings sind allein das Screening und die Modellierungen zu geeigneten Elektrolyten als Alternativen zu Vanadium außerordentlich aufwendig. Vor allem, weil sich die eingesetzten Flüssigkeiten im Laufe der Zeit verändern können. Wir müssen deshalb sowohl chemische als auch ökonomische Faktoren wie Kosten, Lebensdauer und Leistung mit einbeziehen, um auch konkurrierende Energiespeichertechniken umfassend miteinander vergleichen zu können.

Hamaekers: Wir kombinieren unterschiedliche Simulationsmethoden auf verschiedenen physikalischen Skalen – von der quantenmechanischen Ebene bis zum sichtbaren, makroskopischen Verhalten. Und um die dabei entstehende, enorme Datenfülle auch nutzen zu können, setzen wir intelligente Methoden der Datenintegration und -analyse ein, wie sie zum Großteil hier bei Fraunhofer SCAI entwickelt wurden.

Maaß: Aber wir nutzen nicht nur auf Screening und Simulationen. Um möglichst nah an der Praxis zu forschen, gleichen wir die Ergebnisse mit experimentellen Daten ab und lassen unsere Vorhersagen im Labor prüfen.

Das Projekt läuft noch rund zwei Jahre. Was erwarten Sie für die Zukunft der Redox-Flow-Batterien?

Hamaekers: Es wäre wenig verantwortlich, hier eine konkrete Prognose abzugeben. Ich erwarte aber, dass RFB in rund fünf Jahren immer häufiger und für immer mehr Betriebe eingesetzt werden. Was wir am Ende der Projektlaufzeit haben sollten, ist ein einsatzfähiges Tool, das eine Suche nach geeigneten Materialien für Flussbatterien ermöglicht. Firmen können diesen Service dann nutzen. So erleichtern wir eine profunde Aussage darüber, wie das Design einer Flussbatterie aussehen sollte, um zu überschaubaren Kosten effizient und im großen Maßstab Energie zu speichern.


(aku)

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