Ob Maschinenmensch Maria aus Fritz Langs‘ Meisterwerk »Metropolis«, die »Künstliche Intelligenz« von Spielberg oder »Wall ·e«, der letzte Roboter der Erde. Des Menschen Phantasie um autonome Roboter kennt keine Grenzen. Was noch vor rund einhundert Jahren bloße Fiktion war, findet allmählich den Weg in die Realität. Erkundungsroboter, Medizinroboter, Serviceroboter oder Industrieroboter – die Einsatzgebiete sind so vielfältig wie ihre Anwendungsbereiche. Das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD hat mit dem »DUPLOcator« einen Roboter entwickelt, der selbstständig erfasst, was zu tun ist.

Herr Sevilmis, »Individuelle Produkte flexibel gefertigt« - so die Ankündigung für den »DUPLOcator«  auf der anstehenden Hannover Messe. Was verrät uns der Name »DUPLOcator« über seine Fähigkeiten?

In der Industrie 4.0 sollen Produktionssysteme und auch Roboter nicht nur mit Menschen, sondern auch mit anderen technischen Systemen zusammenarbeiten können. Dieser Prozess sollte dynamisch sein, sodass sich Roboter an verschiedene Situationen anpassen können.

Mit dem »DUPLOcator« wollen wir zeigen, dass unsere Technologien einen großen Beitrag dazu leisten, die Produktionssysteme flexibler zu gestalten. Der »DUPLOcator« verkörpert diesen Anspruch: Ein Messebesucher kann aus Duplosteinen Formen nach seinem Belieben zusammenbauen. Dieser Prozess wird nur mit Kameras erfasst. Dabei gibt es eine optische Komponente, die sich genau ansieht, wie diese Baugruppe zusammengesetzt ist. Dieser Bauplan wird an den Roboter übergeben, sodass dieser damit arbeiten und Folgeschritte ausführen kann. Das Unerwartete wird deshalb planbar, weil der Roboter im Vorfeld nicht weiß, welche Baugruppe er als nächstes fertigen wird. Das heißt, das nächste Mal kommt ein anderer Messebesucher und baut die  Gruppe komplett anders zusammen. Dennoch sind wir in der Lage durch die Bilderfassung den Bauplan abzuleiten und den Robotern die Fähigkeit zu verleihen, diese Baupläne nachzuarbeiten und sich darauf vorzubereiten.

In der Industrie 4.0 sollen Roboter die Fähigkeit erhalten mit Menschen oder Systemen zu kooperieren. Der »DUPLOcator«  geht nun einen entscheidenden Schritt weiter und erkennt selbst was zu tun ist. Durch welche Technologie kann der Roboter diese Folgeschritte analysieren?

Ein Schlüssel der Technologie liegt im ersten Schritt, der Bilderfassung. Sie müssen sich vorstellen, dass der Besucher eine Baugruppe erstellt. Wir betrachten jedoch nur die Endkonfiguration dieser Baugruppe. Das bedeutet: Wir nehmen die Baugruppe aus verschiedenen Perspektiven auf und können mit unseren Algorithmen aus den 2D-Bildern ein 3D-Modell der Baugruppe berechnen. Das ist der erste Schritt. Wenn eine 3D-Repräsentation der Baugruppe vorliegt, müssen wir natürlich herausfinden, wie diese zusammengesetzt ist. Dafür haben wir am Fraunhofer IGD ein Analysemodul implementiert, was die Baugruppe exakt analysiert und dabei über die Zusammensetzung entscheidet. Doch der Möglichkeiten gibt es viele. Daher überlegen wir: Welcher ist denn der beste und simpelste Weg für den Roboter? Wir konnten feststellen, dass der Roboter mithilfe des Analysemoduls die Baugruppe oft anders zusammengesetzt hat als der Mensch. Mithilfe der Bildausstattung und des Analysemechanismus suchen wir also den optimalen Weg, den der einarmige Roboter zur Erstellung nutzt. 

Der »DUPLOcator«  ist also ein intelligentes System, das lernt, eigenständig zu handeln. Welche Prozesse werden nun im Detail durch den Einsatz optimiert?

Wirft man gegenwärtig einen Blick in Fabrikhallen, stellt man fest, dass zahlreiche Roboter relevante Produktionsprozesse übernehmen, wie beispielsweise das Schweißen von Metallerzeugnissen im Automobilbereich.  Größtenteils müssen diese Roboter im Vorfeld aufwändig programmiert werden. Sie können jedoch nicht eigenständig und intelligent handeln, da sie auf Anweisungen des Menschen angewiesen sind. Genau diesen Prozess wollen wir vereinfachen, indem wir den Robotern mehr Fähigkeiten mit auf den Weg geben. So soll ein Roboter auch über ein Kontextbewusstsein verfügen, indem er etwas erkennt und versteht in welchem Wartungs- und Produktionszustand er sich befindet. Zukünftig könnten Roboter so auch stärker in die Produkt- und Produktionsinfrastruktur eingebunden werden, um das gesamte Fertigungswissen abzufragen und sich diesen Vorgängen entsprechend anzupassen. Die Vorprogrammierung von Robotern ist sehr zeitintensiv. Diesen Zeitaufwand zu reduzieren, wäre ein wichtiger Schritt in Richtung Industrie 4.0.  

Zeitgewinn durch Vereinfachung ist ein enormer Nutzen für die Industrie. Was sind die nächsten Schritte des «DUPLOcator«?

Der »DUPLOcator« ist ein Demonstrator. Wir wollen damit verdeutlichen, welche Möglichkeiten durch dieses System bestehen. Der nächste Schritt ist das Produktdatenmanagement PDM, also die Roboter in die Infrastruktur einzubinden, damit sie sich das Produkt-Know-How aneignen und sich selbstständig konfigurieren können.    

An welchen Szenarien dürfen die Besucher der kommenden Hannover Messe teilhaben?

Der »DUPLOcator«  wird für den Messebesucher ein Erlebnis. Er hat die Möglichkeit aus Duplobausteinen Formen nach seinem Belieben zusammenzubauen. Dabei kann er erleben, wie der Roboter diesen Bausatz in Echtzeit dupliziert. Dies betrifft den gesamten Prozess: Von der Aufnahme der Baugruppe, die durch den Messebesucher zustande gekommen ist, über das Analysemodul bis hin zur Simulation eines digitalen Zwillingroboters. Anhand des digitalen Zwillings kann der Messebesucher sich anschauen, wie der eigentliche Pfad aussieht, um diese Baugruppe zusammenzusetzen. Damit holen wir die Messebesucher ab, um sie in die Welt des »DUPLOcator« vollständig eintauchen lassen zu können.

Was sind denn die klassischen Anwendungsgebiete des »DUPLOcator«  für die "Fabrik der Zukunft"?

Der Trend der Individualisierung von Produkten ist deutlich. Die Dynamik von Robotersystemen spielt dabei eine essentielle Rolle. Viele Unternehmen bieten bereits heute über das Web Individualisierungsplattformen an, das heißt: Über ein Webinterface können sich Kunden die Produkte zusammenklicken, z.B. das Cover eines Smartphone. In Zukunft werden auch Komponenten eines Autos wie Armaturenbretter oder ähnliches durch Kunden individualisiert. Der »DUPLOcator«  zeigt hier einen Weg auf, individuelle Prozesse in geringerem Aufwand als bisher betrieben umzusetzen. Somit sollen Maschinen auf sich ständig ändernde Produktbeschreibungen dynamisch reagieren.

Mit der geplanten Erweiterung des »DUPLOcator« in einem parallelen Initiativprojekt  möchten wir ermöglichen mit diesem großen Raum an Individualisierungsmöglichkeiten umzugehen. Nicht zuletzt ist die Implementierung von mehreren Robotern, die gemeinsam an einem Produkt arbeiten, ein wesentliches Zukunftsszenario des sogenannten „Plug-And-Produce-Konzepts“. Forschungsbedarf besteht hier in der Festlegung der Reihenfolge miteinander agierender Roboter. Somit sollten Roboter zukünftig in der Lage sein, das Handeln des Menschen wahrzunehmen, um die „Mensch-Maschine-Interaktion“ zu gewährleisten und Barrieren zu überwinden.

(nhu)

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Neyir Sevilmis
  • Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD
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