In Deutschland ist ein neues Zentrum für Cybersicherheit entstanden. In Garching bei München eröffnet das Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC Ende des Monats offiziell sein neues Forschungsgebäude: Neben modern ausgestatteten Büroräumen und Innovation Labs wurden hier auch zwölf zukunftsweisende Forschungslabore integriert. Im Interview erklären die Institutsleiter Prof. Dr. Claudia Eckert und Prof. Georg Sigl, welche Bedeutung der Neubau für Forschung und Entwicklung hat.

Hallo Frau Prof. Eckert, Hallo Herr Prof. Sigl, Glückwunsch zur bevorstehenden offiziellen Eröffnung des neuen Cyberforschungszentrums des Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC. Wie gefällt Ihnen das Gebäude?

Prof. Eckert: Wir freuen uns natürlich – gemeinsam mit all unseren Mitarbeitern. Der Neubau besteht aus zwei U-förmigen Gebäudeteilen, die sich zu einem Mäander zusammenschließen. Das Gebäude ist aber auch dank seiner klaren, weiß-schwarzen Fassade wunderschön, gefällig und gut strukturiert – auch wenn wir im Moment noch viel von der Baustelle sehen. Vor allem aber passt es gut zur Kultur des Fraunhofer AISEC und von Fraunhofer insgesamt: Es zeigt so viel Offenheit wie möglich, gewährleistet aber auch die Sicherheit, die nötig ist.

Prof. Sigl: Der Bau war dringend notwendig. In den alten Büroräumen war einfach nicht mehr genug Platz, da das Fraunhofer AISEC in den vergangenen zehn Jahren stetig gewachsen ist. Im Moment arbeiten bei uns über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und rund 50 Studierende, nun können es bis zu 250 werden. Wir wollen und müssen schließlich weiterwachsen angesichts der steigenden Bedeutung von Cybersicherheit. Das vergrößerte Raumangebot ist allerdings nur ein Aspekt unter vielen. Etwas Anderes ist es, qualifizierte Nachwuchsforscher zu finden. Vielleicht ist auch das ein Grund, warum wir das neue Gebäude so gebaut haben, dass es sich optisch in Richtung der TU München öffnet. Das kann man durchaus auch als Einladung an angehende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter interpretieren.

Prof. Eckert: Entscheidend ist vor allem aber seine Funktionalität. Hier werden wir künftig in einem Hochsicherheitsbereich ausgesprochen wertige und sensible Forschung betreiben können. In den unterschiedlichen Laboren im Neubau, die mit Analyse-, Entwicklungs- und Testgeräten auf dem höchsten Stand der Technik ausgestattet sind, werden wir besser als bislang unsere Sicherheitsanalysen durchführen und neue Technologien erproben können.

Welche Bedeutung hat der Neubau für die Cybersicherheit in Deutschland?

Prof. Sigl: In Deutschland ist dieses Sicherheitszentrum durch seine innovativen Sicherheitslabore einmalig und definitiv zukunftsweisend. Es bringt aktuelle Cyberforschung und die Überprüfung von Hochsicherheitsprodukten in einem Gebäude zusammen. Neue Erkenntnisse, etwa zu Hardware-Angriffen und möglichen Gegenmaßnahmen, können wir sofort und »am Objekt« testen. Wenn ich mir vor Augen halte, dass es eine der zentralen Fraunhofer-Missionen ist, Forschungsergebnisse möglichst schnell in die industrielle Anwendung zu bringen, dann ist der Neubau beispielgebend.  

Prof. Eckert: Das ist ein entscheidender Punkt: Wir arbeiten an realen Lösungen für tatsächliche Anwendungen. Deshalb ist es sowohl für die Studierenden aber vor allem auch für die Forschung und unsere Industriepartner ein großer Unterschied, ob man mit Präsentationen arbeiten muss, oder ob man Schwachstellen und Maßnahmen direkt am realen Objekt demonstrieren kann.

Im Zentrum des Neubaus stehen zwölf Forschungslabore, die jetzt ihre Arbeit aufnehmen können.

Prof. Sigl: Wir haben viele tolle Labs, ein Beispiel ist das Automotive-Labor. Von außen sieht man nur drei Garagentore, durch die die Fahrzeuge hineingefahren werden. Im Inneren aber befindet sich unter anderem ein Rollenprüfstand, durch den wir das Zusammenwirken von Steuerkomponenten und Angreifbarkeit demonstrieren können, um »fahrende« Autos auf ihre digitale Sicherheit hin zu überprüfen. Für die Zukunft einer nicht manipulierbaren Vernetzung teil- oder vollautonom fahrender PKWs ist das von enormer Bedeutung, denn Hackerangriffe auf ein fahrendes Fahrzeug sind mit stehenden Autos natürlich schwer simulierbar.

Prof. Eckert: In einem anderen Labor werden wir eine kleine Produktionsstraße nutzen können, um die sichere Produktion von drahtlos vernetzten Komponenten während eines Herstellungsprozesses zu untersuchen. So können wir schlussfolgern, welche Konsequenzen es hat, wenn man an bestimmten Stellen Schutzmaßnahmen einsetzt. Aber natürlich können wir nun auch Themen wie die praktische Anwendung von IoT aufgreifen und einzelne Komponenten und ihre Auswirkung auf die Sicherheit analysieren oder Verschlüsselungsverfahren im Einsatz beobachten. Das erhöht den Mehrwert unserer Angebote für Kunden.

Prof. Sigl: Daneben gibt es auch ein Hardwaresicherheitslabor, in dem wir unter anderem Chipkarten untersuchen. Dafür nutzen wir einen speziellen Laser, mit dem wir auf Chips schießen, um Fehler zu injizieren beziehungsweise zu testen, ob die Chips dagegen gehärtet sind und auch nach dem Beschuss ohne Fehlberechnungen arbeiten. Und wir können Seitenkanalmessungen vornehmen, indem wir die elektromagnetische Abstrahlung untersuchen und prüfen, ob und auf welche Weise kryptografische Geheimnisse ausgelesen werden können.

Das Gebäude wird Teil des Fraunhofer-Forschungscampus Garching sein, an dem sich bis zu sechs Institute ansiedeln werden. Außerdem soll ein Forum für den wissenschaftlichen Austausch des Forschungszentrums mit den benachbarten natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten und Einrichtungen der »Science City Garching« entwickelt werden.

Prof. Eckert: Wir müssen unsere Arbeit im Kontext sehen – und der Neubau ist ein Beispiel dafür. Nur durch intensive Zusammenarbeit können wir beispielsweise feststellen, wie sich maschinelle Lernverfahren in komplexeren Systemen auswirken und wie angreifbar diese Systeme dadurch werden. Dafür ist uns – neben den Möglichkeiten durch den Neubau an sich – auch die Zusammenarbeit mit anderen Instituten und Forschungseinrichtungen ausgesprochen wichtig. Regional arbeiten wir beispielsweise eng mit dem Leistungszentrum für Sichere intelligente Systeme zusammen, an dem neben verschiedenen Fraunhofer Instituten auch die TU München, die LMU und die Universität der Bundeswehr München eingebunden sind.  Überregional zu nennen ist der Fraunhofer Cluster of Excellence Cognitive Internet Technologies CCIT dazu, in dem 13 Fraunhofer-Institute und Industriepartner zusammenarbeiten, um mehr digitale Sicherheit zu gewährleisten.

(aku)

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