Das Fraunhofer-Institut MEVIS kann auf 25 Jahre Institutsgeschichte zurückblicken, die den Weg für vieles ebnet, was noch kommen mag. Das Institut hat sich der digitalen Transformation des Gesundheitswesens verschrieben und entwickelt vor allem innovative Software-Lösungen, die helfen, medizinische Diagnosen genauer und Therapien effektiver zu gestalten. Pünktlich zu seinem Jubiläum hat das in Bremen ansässige Fraunhofer-Institut ein neues Gebäude eröffnet und geht auch sonst mit großen Schritten in Richtung Zukunft.

Ähnlich einer Zellstruktur greifen drei organisch geformte Baukörper ineinander und bilden den ungewöhnlichen Grundriss des neuen Institutsgebäudes. Der Neubau in der Max-von-Laue-Straße auf dem Campus der Universität Bremen bietet eine Nutzfläche von 2.600 Quadratmetern auf vier Etagen mit Platz für 210 Mitarbeiter*innen. Das durch seine Asymmetrie auffallende Gebäude nimmt aber nicht nur optisch Bezug auf das, was im Inneren vor sich geht. Es ist als Werkstatt für digitale Medizin konzipiert: Glaswände und Kommunikationszonen sorgen für Transparenz und schaffen einen Raum, in dem sich die unterschiedlichsten Menschen zum Nachdenken und aktiven Austauschen über die Zukunft der Medizin treffen können.

Endlich »Bühne frei« für das neue Haus

Am 18. Juni 2021 wurde das neue Gebäude nach sechs Jahren Planung und Bau feierlich eröffnet. Beim Open House Event – welches pandemiebedingt online stattfand – begrüßte das Fraunhofer-Institut für Digitale Medizin MEVIS die Zukunft und präsentierte einen Überblick über aktuelle Arbeiten und Forschungsschwerpunkte. Auch die Bremer Senatorin für Wissenschaft und Häfen Dr. Claudia Schilling, Prof. Dr. Alexander Kurz, Mitglied des Vorstands der Fraunhofer-Gesellschaft sowie der Rektor der Universität Bremen Prof. Dr. Bernd Scholz-Reiter nahmen an den Feierlichkeiten teil.

Das Fraunhofer MEVIS widmet sich einer der größten Herausforderungen im Gesundheitswesen – der digitalen Transformation der Medizin. Fortschritte in der Entwicklung neuer bildgebender Verfahren und der Analyse von Labordaten sowie eine wachsende Zahl an Therapieoptionen bieten zahlreiche neue Chancen, sorgen zugleich aber auch für eine stetig zunehmende Komplexität im Alltag von Kliniken und Praxen. Eingebunden in ein Netzwerk aus klinischen und akademischen Partnern arbeitet das Fraunhofer MEVIS daran, diese neuen Errungenschaften praxistauglich zu machen. In den Geschäftsfeldern Diagnostic Software, Image-Guided Therapies, Clinical Trials & Pharma und Computational Pathology sowie zahlreichen Forschungsgruppen arbeiten Forscher*innen an fortschrittlichen Softwaresystemen für Früherkennung, Diagnosen und Therapien.

In der Forschungsgruppe »Collaborative AI in HealthCare« steht die Zusammenarbeit von Programmierer*innen und Medizinier*innen im Vordergrund, die das gemeinsame Ziel verfolgen, Künstliche Intelligenz für die Medizin von morgen zu nutzen. Bild: Fraunhofer MEVIS

KI für die Medizin von morgen

Ein Beispiel für interdisziplinäre Kooperation am Fraunhofer MEVIS ist die Forschungsgruppe »Collaborative AI in HealthCare«. Hier steht die Zusammenarbeit von Programmierer*innen und Medizinier*innen im Vordergrund, die das gemeinsame Ziel verfolgen, Künstliche Intelligenz für die Medizin von morgen zu nutzen.

Denn die Potenziale von KI sind auch in diesem Bereich enorm. Adaptive Algorithmen können immer besser Bilddaten – z.B. aus Mikroskopie, CT oder MRT – auswerten und so bestimmen, ob Zellen gut- oder bösartig sind. Digitale Diagnose-Assistenten könnten durch Automatisierung mühsame Routineaufgaben des Klinikalltags erleichtern. Darüber hinaus könnten Algorithmen auch Therapien verbessern und zum Beispiel Hinweise auf die Verträglichkeit von Medikamenten für verschiedene Patient*innen liefern.

Eine Plattform – viele Tools

Die Entwicklung von solchen Systemen ist ein Prozess mit vielen Herausforderungen. Das Erkennen und Vermessen bestimmter Zellen und das Auswerten von Bilddaten muss eine KI zunächst lernen. Das geschieht mithilfe einer großen Menge von Trainingsdaten, anhand derer Medizinier*innen die relevanten Bildbereiche aufzeigen.

Für die Bewältigung des Trainings gibt es eine Vielzahl von Tools. Das innovative »AI-Collaboration Toolkit«, welches den Teilnehmer*innen des Open House Events präsentiert wurde, integriert diese in eine gemeinsame Plattform. Das erstellte Toolkit begleitet so ganzheitlich den Prozess der KI-Programmierung mit allen wichtigen Schritten, sichert die Datenqualität und vereinfacht die Zusammenarbeit von Programmierer*innen und Mediziner*innen.
Für den großflächigen praxistauglichen Einsatz von KI-Anwendungen hat die Forschungsgruppe des Fraunhofer MEVIS auch deren klinikübergeifendes Training vorgesehen und dabei vor allem auf die datenschutzgerechte Umsetzung geachtet.

Auch im Tumor Follow-Up wollen die erfahrenen Forscher*innen am Fraunhofer MEVIS mit KI entscheidende Fortschritte machen. So soll künstliche Intelligenz im Stande sein, Tumore und Metastasen zu erkennen und die präzise Größe und das Volumen zu bestimmen. Bild: Fraunhofer MEVIS

Automatische Unterstützung bei Diagnose und Therapie

Ein weiteres Geschäftsfeld des Fraunhofer MEVIS nennt sich »Diagnostic Software«. Hier geht es aber nicht nur – wie der Name vermuten ließe – um die medizinische Bestandsaufnahme, sondern auch um die effiziente Entscheidungsfindung bei Therapien von Krankheiten. Eines der hierzu im Open House Event vorgestellten Projekte ist das »Tumor Follow-Up«.

Für Krebspatient*innen beginnt nach der Chemotherapie ein langer Prozess der ärztlichen Kontrolle. Regelmäßig angefertigte Scans liefern Aufschluss über Entwicklung von Tumoren und den Erfolg der gewählten Therapie. Das Fraunhofer MEVIS arbeitet daran, ein automatisiertes Tumor Follow-Up für die klinische Routine zu entwickeln.

Auch hier kann Software medizinisches Personal entlasten. Mit einer Methode namens »Registrierung« werden CT-Scans vom Computer verglichen und Abweichungen – zum Beispiel die veränderte Größe eines Tumors – visualisiert.

Tumore ganz genau unter die Lupe nehmen

Auch im Tumor Follow-Up wollen die erfahrenen Forscher*innen am Fraunhofer MEVIS mit KI entscheidende Fortschritte machen. So soll künstliche Intelligenz im Stande sein, Tumore und Metastasen zu erkennen und die präzise Größe und das Volumen zu bestimmen. Vor allem im Bereich der Krebstherapien bietet die Medizin immer mehr Behandlungsoptionen. Damit Therapien effektiv gestaltet werden können, ist es für Patient*innen und Mediziner*innen wichtig, möglichst früh Erkenntnisse aus dem Follow-Up zu erhalten.

Ein erster Prototyp, der die Registrierung demonstriert, wird voraussichtlich in einem Jahr fertig gestellt. In fünf Jahren soll die Software eine automatische Tumorsegmentierung für Organe wie die Leber und die Lunge ermöglichen.

In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Herzzentrum Berlin und der Charité entsteht ein Assistenzsystem, dass die Planung von Herz-OPs unterstützt – mit Augmented Reality bzw. Virtual Reality. Bild: Fraunhofer MEVIS

Präzise Planung mit Virtual und Augmented Reality

In einem weiteren Geschäftsfeld des Fraunhofer MEVIS geht es um »Image-Guided Therapies«. Das Blickfeld von Mediziner*innen erweitern und somit Fortschritte in der Planung, Durchführung und Überwachung von medizinischen Interventionen erzielen soll – all das wird hier mithilfe von digitalen Bilddaten realisiert.

So auch im Anwendungsfall »Precise Planning for Heart Surgery«. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Herzzentrum Berlin und der Charité entsteht ein Assistenzsystem, dass die Planung von Herz-OPs unterstützt – mit Augmented Reality bzw. Virtual Reality. Auch hier kommt zunächst Künstliche Intelligenz zum Einsatz. Anhand von CT- und MRT-Bilddaten erkennt sie das Herz und analysiert die Bewegung der Herzklappen. So wird ein digitales, bewegliches Modell des Organs erstellt, welches sich ähnlich wie ein 3D-Film mithilfe von AR/VR-Brillen betrachten lässt.

Ziel der Forscher*innen des Fraunhofer MEVIS ist ihre innovative AR/VR-Lösung in verschiedenen Bereichen anwenden zu können. Das digitale Modell ist interaktiv und lässt Chirurg*innen detailliert im Vorfeld Techniken und Materialien für die OP erproben und kann anschließend eingesetzt werden, um Patient*innen das geplante Vorgehen zu erklären. Doch damit nicht genug – auch im Operationsaal ist ein Einsatz möglich. Hierhin kann es von den Chirurg*innen als eine Art visueller Ablaufplan mitgenommen werden.

Spannende Projekte aus der Werkstatt der Digitalen Medizin

Das AI Collaboration Toolkit, das Tumor Follow Up und die präzise Planung für Herz-OPs sind nur drei Beispiele für die zahlreichen innovativen Ideen, die das Fraunhofer MEVIS in Hinblick auf die Medizin von morgen vorantreibt. Teilnehmende am Online Open House durften bereits einige mehr kennenlernen – alle anderen können sich zum Beispiel in mehreren projektbezogenen Episoden des Fraunhofer MEVIS Podcast über aktuelle Forschungsergebnisse und Meilensteine informieren.
Fest steht, dass man auch in Zukunft weitere spannende Projekte aus dem Fraunhofer MEVIS und dem Neubau, der »Werkstatt der digitalen Medizin« erwarten darf.

(mcz)

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