In Aachen haben sich drei Fraunhofer-Institute zusammengeschlossen, um Prozesse für die Industrie 4.0 zu optimieren. Gemeinsam mit der RWTH Aachen und produzierenden Unternehmen wollen sie Antworten auf die Frage finden, mit welchen neuen Lösungsansätzen die Entwicklung einer neuartigen Intelligenz in der Produktion tatsächlich gelingen kann. Unter anderem soll mithilfe von Big Data Analytics die Optimierung von Fertigungsprozessen möglich werden, noch bevor diese überhaupt gestartet wurden.

Wie es »läuft« und vor allem: wie gut es gelaufen ist, sieht man meist erst nach dem Produktionsprozess. Dann aber ist es zu spät, um den Prozess und damit vielleicht sogar das Produkt zu optimieren. Besser wäre also eine Antwort auf die Frage, wie es laufen wird. Und was wie modifiziert werden sollte, damit es künftig noch besser läuft. Doch diese Antwort zu finden ist natürlich weitaus komplizierter als die Frage zu formulieren. Denn, um einen Prozess zu optimieren, müssen Verantwortliche diesen Prozess auch exakt kennen. Und damit ist natürlich nicht nur der Augenschein gemeint, sondern ein möglichst umfassendes Datenportfolio und die Möglichkeit, diese Daten so intelligent auszuwerten, dass sich schon vor der eigentlichen Herstellung oder »spätestens« währenddessen der Produktionsprozess verbessern lässt.

Im neu gegründeten Leistungszentrum für vernetzte, adaptive Produktion forschen die drei Fraunhofer-Institute für Produktionstechnologie IPT, für Lasertechnik ILT und für Molekularbiologie und angewandte Oekologie IME deshalb an Konzepten, wie anspruchsvolle Wertschöpfungsketten zur Herstellung komplexer und individualisierter Produkte deutlich flexibler und effizienter gestaltet werden können als bisher. Und sie wollen untersuchen, wie sich die Produktion genauestens erfassen und vorausschauend optimal planen lässt. Um von Anfang an nah der Praxis zu arbeiten, haben sich die drei Aachener Fraunhofer-Institute zusätzlich mit der RWTH Aachen und namhaften Industriepartnern zu einem »International Center for Networked, Adaptive Production« (ICNAP) zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen sie mithilfe neuer Lösungsansätze aus der Informationstechnologie Produktionsprozesse für die Industrie 4.0 entwickeln, untersuchen und optimieren.

So könnte die Produktion von morgen aussehen. Bild: Fraunhofer IPT

Dabei übernehmen die Fraunhofer-Institute aufgrund ihrer wissenschaftlichen Erfahrung vor allem den forschenden Teil, der dann auf konkrete (und zunächst noch pilotierte) Industrieprozesse angewandt und validiert werden soll. »Wir gehen davon aus, dass wir Dank der zunehmenden Digitalisierung in der Produktion und durch Nutzung von Big Data heutige Fertigungsprozesse deutlich optimieren können, um sie agiler und wirtschaftlicher zu gestalten«, hofft Mario Pothen, Projektleiter beim Fraunhofer IPT.  

Optimierung der Produktionssysteme und Wertschöpfungsketten bei Industrie 4.0

Ziel der Forscher ist es, Möglichkeiten zu schaffen, den Verlauf von Prozessen bei der Änderung unterschiedlichster Variablen zu prognostizieren. Der Einsatz des neuen Mobilfunkstandards 5G für die dafür notwendige Erfassung der Daten sowie Big Data Analytics für die Bewältigung der entstehenden Datenfülle sollen genutzt werden, um unter anderem mit »digitalen Zwillingen« zu arbeiten. Durch sie lassen sich Modifikationen und ihre Auswirkungen leichter simulieren. »Mithilfe des digitalen Zwillings einer Produktionsstufe können wir die Zeit quasi zurückdrehen und genau feststellen, wann und an welcher Stelle ein Fehler passiert ist«, betont Pothen.

Für erste Tests haben die Mitglieder im ICNAP fünf teils sehr unterschiedliche Pilotlinien gestartet. In einem der Projekte soll beispielsweise in Zusammenarbeit mit MTU Aero Engines in München die Produktion von Turbinenkomponenten optimiert werden. »Die Schaufeln von Turbinen sind sehr dünnwandig und neigen deshalb während der Produktion zur Vibration, wenn der Fräsprozess nicht absolut ideal verläuft. Mithilfe eines neu eingesetzten Vibrationssensors sehen wir nun schon während der Produktion, an welchen Stellen welche Vibrationen auftreten. So können wir das Produkt schon während des Prozesses bewerten«, erklärt Pothen. Weil sich die Turbinenschaufeln während der Bearbeitung in der Maschine bewegen, war ein Einsatz des Sensors bislang nicht möglich, denn er musste verkabelt werden. »Erst mit dem Einsatz von 5G können wir ein derartiges Monitoring starten«, so Pothen.

Die Vibrationen können jetzt nicht nur kontinuierlich gemessen, sondern auch direkt ausgewertet werden. So kann bereits während der Produktion die Qualität des Endproduktes bestimmt werden oder in den Vorgang eingegriffen werden. Bild: Fraunhofer IPT

Eine andere Pilotlinie beschäftigt sich mit dem Bereich der Biologie: In diesem Projekt soll die Produktion beziehungsweise das Wachstum von Pflanzen automatisch überwacht werden. Ziel dabei ist es, Qualitäten und Größen der Pflanzen durch Bildanalysealgorithmen bewerten zu können und ihre Erntereife festzustellen. Weitere Piloten beschäftigten sich beispielsweise mit dem Werkzeugbau, der Reparatur von Turbinenkomponenten oder der Batteriefertigung.

Anwenderszenarien für Industrie 4.0 im Vordergrund

»Für uns ist es wichtig, mithilfe der Piloten zu demonstrieren, welche Neuerungen durch die Digitalisierung in der Produktion möglich werden. Deshalb forschen wir zunächst an diesen Anwendungsfällen, um sie im Idealfall dann für ähnlich gelagerte industrielle Prozesse zu adaptieren«, so Pothen. Trotzdem sei die Beteiligung der Industrie an weiterführenden Aufgaben zur Produktion von Morgen schon jetzt zukunftsweisend: Über das ICNAP kommen heute schon sehr konkrete Anfragen, neuere Technologien zur vernetzten, adaptiven Produktion kennenzulernen oder gleich weitere Pilotprojekte zu starten. (aku)

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