Wissenschaftliches Arbeiten und anspruchsvolle Forschungen sind kein Selbstzweck. Entscheidend ist, Erkenntnisse in praktischen Nutzen umzusetzen. Genau an dieser Stelle setzt die Aufgabe der SmartFactoryOWL an. Für die Industrie vor allem in Ostwestfalen-Lippe ist sie zu einem Reallabor geworden, um technische Fortschritte vor allem im Bereich Industrie 4.0 auch für kleinere und mittlere Unternehmen verfüg- und einsetzbar zu machen. Im Interview erläutert Nissrin Arbesun Perez Aufgaben und Angebote dieses »verlängerten Arms« des Fraunhofer IOSB-INA.

Hallo Frau Perez, Sie sind sowohl zuständig für den Bereich Innovationsmanagement und Technologietransfer am Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB, Institutsteil für industrielle Automation INA als auch Mitglied der Geschäftsstelle der SmartFactoryOWL hier in Lemgo in der Region Ostwestfalen-Lippe. Das Fraunhofer IOSB-INA forscht unter anderem zu Themen wie Automatisierung und Digitalisierung. Was aber ist die Aufgabe der SmartFactoryOWL?

Die SmartFactoryOWL knüpft dort an, wo die Forschungsarbeiten am Fraunhofer IOSB-INA ihren Weg in die industrielle Anwendung finden sollen. In der »Factory« forschen rund 100 Expertinnen und Experten zu industriellen Anwendungen. Sie entwickeln Demonstratoren und transferieren Know-how und praxisrelevante Erkenntnisse – letztlich bis in die Produktionshalle vor allem kleiner und mittlerer Unternehmen.

Deshalb ist die SmartFactoryOWL auch eingebunden in ein Netzwerk von Institutionen, die sich mit Fragen der Forschung, Schulung und Anwendung auseinandersetzen.

Richtig. Die SmartFactoryOWL ist Teil des Clusters »Intelligente technische Systeme OstwestfalenLippe it's OWL« und des Innovation Campus Lemgo, auf dem viele Akteure zusammengeführt werden. Sie ist aber keine eigenständige Einrichtung, sondern wird vom Fraunhofer IOSB, Institutsteil für industrielle Automation INA und der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe gemeinsam betrieben.

 

 

 

Die SmartFactoryOWL kann als Forschungs- und Demonstrationsfabrik bezeichnet werden. Sie dient der Vernetzung von Mensch, Maschine und Produkt. Bild: Fraunhofer IOSB-INA

Der Fokus der Arbeit liegt auf Forschungen zum Thema Industrie 4.0?

Nicht ausschließlich. Schwerpunkt unserer Arbeit ist zum einen in der Tat das Thema Digitalisierung in der Produktion und die Entwicklung konkreter Anwendungen. Dazu kommt aber beispielsweise auch der Bereich Qualifikation: Wir bieten Seminare, Schulungen und Workshops an, um insbesondere Unternehmen hier in der Region beim Ausschöpfen der Chancen durch die digitale Transformation zu unterstützen.

Sie produzieren und verbreiten Wissen um praktische Anwenderszenarien.

Deshalb ist der Name »Factory« auch sehr bewusst gewählt. Wir verstehen uns als Forschungs- und Demonstrationsfabrik rund um Industrie 4.0 und das für alle Branchen. Allein aus dem wirtschaftlichen Umfeld Ostwestfalen-Lippes haben wir in jüngster Zeit beispielsweise mit Maschinenbauern, Elektronikfirmen und Unternehmen für Lebensmitteltechnologien ebenso zusammengearbeitet wie mit Produzenten von Möbeln. Zudem decken wir die verschiedenen Reifegrade ab, denn natürlich befinden sich die Unternehmen in sehr unterschiedlichen Entwicklungsphasen ihrer digitalen Weiterentwicklung. Wir entwickeln und zeigen beispielsweise Assistenzsysteme mit Augmented Reality-Lösungen zur Unterstützung von Prozessen in der Montage, bieten sehr fortschrittlich orientierten Unternehmen aber auch bereits 5G oder OPC UA-Einsatzmöglichkeiten von morgen. Dazu gehören unter anderen das breite Spektrum beim Nutzen mobiler Endgeräte oder der additiven Fertigung durch 3D-Druck.

 

Die SmartFactoryOWL ist für alle Branchen tätig. Von Maschinenbauern zu Möbelproduzenten. Bild: Fraunhofer IOSB-INA

Nach wie vor gibt es in einzelnen Unternehmen offensichtlich eine ausgeprägte Zurückhaltung bei der digitalen Transformation.


Ich würde es eher Unsicherheit nennen. Deswegen kommen wir bei einer Anfrage auch nicht sofort mit einer allumfassenden Big Data-Lösung um die Ecke. Wir demonstrieren vielmehr ganz praktisch, wie auch KMU Mehrwerte durch kleine Schritte Richtung Digitalisierung generieren können.

Was sind die derzeit wichtigsten Themen, die bei Ihnen nachgefragt werden?


Es sind im Wesentlichen drei Bereiche, die derzeit intensiv diskutiert werden: Einen Schwerpunkt bilden hierbei Fragen zur papierlosen Fertigung, die insbesondere bei vielen mittelständischen Unternehmen auftreten. Denn an vielen Stellen ist der Workflow noch papierbasiert. Das und eine mangelhafte, umfassende digitale Weitergabe der Informationen macht den Weg des Produkts vom Auftragseingang bis zum Kunden intransparent und für Verantwortliche zu einer Black Box. Das betrifft auch Dokumentationen zur Wartung und Konfiguration von Maschinen: Das zweite Thema sind Assistenzsysteme, denn hier geht die Entwicklung im Moment in eine spannende Richtung, der passende Einsatz kann sich als sehr effizienzsteigernd auswirken. Ein Beispiel sind Wartungs- und Montageprozesse, die mit Hilfe digitalisierter Anleitungen deutlich vereinfacht werden. Zudem wird es so einfacher auch komplexe Produkte und mit Losgröße 1 zu fertigen. Heutige Anwendungsszenarien sind Remote-Systeme bei Maschinen, die eine Live-Wartung oder zumindest Unterstützung bei der Wartung auch über Kontinente hinweg möglich machen. Und der dritte Bereich ist das Thema des digitalen Zwillings, also das ganzheitliche digitale Abbild von Produkten über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg. Dazu gehören auch wichtige Themen wie die Rückverfolgbarkeit von Produkten, die Digitalisierung der Produktentstehung und die Simulation von Eigenschaften und Verhalten des Produkts in unterschiedlichen Einsatzszenarien.

Wie kann ein Mittelständler Ihre Expertise in Anspruch nehmen?


Interessant für Unternehmen ist unter Umständen zunächst ein erster Kontakt über unsere regelmäßige Industrie4.0@Work SmartFactory-Tour oder auch im Rahmen unserer Schulungen in der SmartFactoryOWL in Lemgo. Oder aber Interessierte bitten um ein einfaches Treffen für den direkten Austausch. Danach bieten wir verschiedenste Andockpunkte, die wir Schritt für Schritt organisieren. Wir können also »nur« informieren - oder auch demonstrieren. Wir können aber bei intensivierter Zusammenarbeit auch qualifizieren oder in die Konzeptions-Phase einsteigen, in der wir meist zunächst gemeinsam mit dem Unternehmen die Potenziale ermitteln. Denn wir wollen schließlich klären, in welchen Bereichen die Digitalisierung für das jeweilige Unternehmen konkreten und nachhaltigen Nutzen stiftet. Kennen wir die möglichen Mehrwerte, entwickeln wir eine Technologie-Roadmap um diese Themen auch gemeinsam anzugehen.

(aku)

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Nissrin Arbesun Perez
  • Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB
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