Im Projekt 5G CONNI wollen Forscher*innen ein umfangreiches Spektrum an Erfahrungen aufbauen, um Unternehmen den Einsatz neuartiger, privater 5G-Netze zu erleichtern. Expert*innen aus Taiwan und der EU haben Demonstrationsnetze in Betrieb genommen, um die Vorteile von Diagnose und Steuerung über ein auf die Produktionsstätte begrenztes Mobilfunknetz zu testen. Die Ergebnisse fließen nun in Handlungsempfehlungen ein, die von Industrien genutzt werden können, um ihre Produktionsprozesse effizienter zu gestalten. Das Fraunhofer HHI hat die Führungsrolle übernommen.

Die Erfolgsgeschichte des Mobilfunkstandards 5G ist – ehrlich gesagt – gar keine. Zumindest nicht, wenn man den Maßstab anlegt, für den 5G vornehmlich geschaffen wurde. Nämlich eine sehr schnelle, zuverlässige und »de facto« latenzfreie Kommunikation für das Internet der Dinge (IoT) zur Verfügung zu stellen. Für autonom fahrende Fahrzeuge, die Koordination der Geräte und Roboter in Fabrikhallen oder das reibungslose Zusammenspiel der Smart-Home-Technologien und die digitale Steuerungstechnik: Für all das ist 5G grundlegend – und wird letztlich noch kaum eingesetzt. Lediglich beim Nutzen unserer Smartphones hat 5G in Deutschland dank mittlerweile Tausenden von Basisstationen eine Netzabdeckung von über 90 Prozent erreicht. Das ist zwar ein wichtiger, aber vor allem ein eher publikumsträchtiger »Erfolg« für eine Technologie, die deutlich mehr kann, als Spielfilme in Sekunden auf das Handy oder das Tablet herunterzuladen.

 

Monitoring und Steuerung über 5G

»Die eigentliche 5G-Revolution steht im Grunde noch bevor«, sagt Sven Wittig, Mobilfunkexperte am Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut, HHI. Obwohl, eine »Revolution« sei 5G eigentlich eher für Abteilungen, die die neue Technik vermarkten wollen und nach verkaufsträchtigen Schlagworten suchen. 5G, so Wittig, sei eher eine Evolution. Es sei eine – wenn auch ausschlaggebende – Weiterentwicklung von LTE, also dem Vorgängerstandard der nun fünften Generation. Der entscheidende Fortschritt dabei liege insbesondere in dem deutlich breiteren Spektrum von Anwendungsmöglichkeiten, insbesondere für Anwendungen, die ohne die »low latency communication«, wie sie 5G biete, kaum ernsthaften Nutzen generieren würden. Das – so Wittig weiter – betreffe insbesondere die stark wachsende Anzahl an technischen Akteuren, die nicht mehr unmittelbar mit Menschen zusammenarbeiten, sondern das Internet der Dinge und insbesondere die Steuerung in Produktionshallen dank Echtzeit-Aktionen lauffähig und effizient machen. Und eben hier gäbe es noch eine deutliche Kluft zwischen dem, was technisch theoretisch möglich wäre und dem, was tatsächlich so weit ausentwickelt wurde, dass es auch genutzt werden kann.

 

Internationale Kooperation

In einem umfangreichen Projekt von Taiwan und der Europäischen Union, die das Vorhaben im Rahmen des EU-Programms »Horizont 2020« fördert, untersuchen und testen Forscher*innen des Fraunhofer HHI gemeinsam mit weiteren Instituten und Industrieunternehmen aus Deutschland und Taiwan intensiv, wie das Zusammenspiel von Techniken rund um 5G künftigen, industriellen Echtzeit-Anwendungen den Weg ebnen kann. »Wir haben dem Projekt den Namen Private 5G Networks for Connected Industries oder kurz ‚5G CONNI‘ gegeben«, sagt Wittig. Ziel sei es, die 5G-Technik, die in den vergangenen Jahren über viele Projekte und Testläufe hinweg immer weiterentwickelt wurde, endlich auch für die Industrie nutzbar zu machen. »Wir entwickeln deshalb konkrete Anwendungsszenarien, die deutlich über einen Proof of Concept hinausgehen und demonstrieren damit die Leistungsfähigkeit privater 5G-Netze für die Industrie«, erklärt Wittig, der für das Fraunhofer HHI die Projektleitung von 5G CONNI übernommen hat.

 

Private Netze

Private 5G-Netze unterscheiden sich teils deutlich von den 5G-Netzen, wie sie Smartphone-Nutzer*innen geläufig sind: Sie arbeiten ausschließlich in einem klar definierten Areal, meist einem Fabrikgelände, und koordinieren hier vor allem die wachsende Anzahl an Geräten und Maschinen, die für das Monitoring oder zur Steuerung eingesetzt werden. »Je nach Ausgestaltung, Sicherheitsvorgaben und Einsatzzweck weichen Performance, Latenz, Datenrate oder Verfügbarkeit dieser privaten Netze naturgemäß stark voneinander ab«, sagt Wittig. Allein das mache es schwierig, standardisierte Angebote zu erstellen. Dazu komme, dass die Ausstattung, also die einzelnen Komponenten eines solchen industrieeigenen 5G-Netzes, in der Regel von unterschiedlichen Herstellern kommen und trotzdem verzögerungsfrei und stabil zusammenarbeiten müssen.

Die Form des Netzaufbaus sei deshalb selbst für Forscher*innen und Unternehmen teilweise noch »Neuland«. Das liege auch daran, dass zur Steuerung und Überwachung von Produktionsanlagen moderne Mobilfunktechnik bislang so gut wie nie genutzt worden sei und ihr möglicher Einsatz von klassischeren Mobilfunk-Providern bisher auch nicht adressiert wurde, sagt Wittig. In der Regel wurden von dieser Seite nur vereinzelt auf industrielle Anforderungen zugeschnittene Angebote zur Verfügung gestellt, der eigentliche Fokus aber liege zunächst auf dem Mobilfunkgeschäft für alle.

 

Nutzungsszenarien

Die künftige Gestaltung des IoT und in diesem Fall vor allem von Industrie 4.0 hängt deshalb von der Beantwortung von Fragen nach dem jeweils »richtigen« Betreibermodell für das Netz ab. Wie beispielsweise soll die Architektur eines solchen, privaten 5G-Netzes aussehen? Welche örtlichen Gegebenheiten müssen berücksichtigt werden und welche Technologien brauche ich dafür? – Schließlich soll das Netz vermutlich vor allem in einer mit viel metallenen Gegenständen ausgestatteten Halle und nicht nur im Freien funktionieren. Und welche Komponenten brauche ich und von wem? Wie arbeiten sie zusammen? Vor allem aber: Was will ich mit einem 5G-Netz auf dem Betriebsgelände überhaupt erreichen und wie will ich es in Zukunft nutzen?

»Um Umsetzungsmöglichkeiten und Fragen wie diese zumindest exemplarisch beantworten zu können, bauen wir sowohl in Deutschland als auch in Taiwan bei je einem Industriepartner ein privates 5G-Netz auf, das wir erproben und bei dem wir den Einsatz auch praktisch demonstrieren«, sagt Wittig. Aus den dabei gemachten Erfahrungen lassen sich dann Handlungsempfehlungen ableiten, die der Industrie in der EU und in Taiwan zur Verfügung stehen werden.

 

Demonstrationsnetze

In Deutschland ist dafür ein privates 5G-Netzwerk zur Steuerung von Industrierobotern aufgebaut und in Taiwan werden CNC-Fräsmaschinen zur Herstellung von Werkstücken erstmals über 5G gesteuert. »Auch wenn einem externen Betrachter oder einer externen Betrachterin zunächst kaum Unterschiede im Vergleich zur herkömmlichen Steuerung auffallen dürften: Der Unterschied ist erheblich«, sagt Wittig. Denn nun werden wesentliche Teile der Steuer- und Regelungstechnik in eine Edge-Cloud verlagert und die Kommunikation zwischen dem Roboter und der Bewegungsplanung laufe über die 5G-Funkverbindung. Einer der Vorteile dabei: Die Steuerungsvorgaben müssen nun nicht mehr lokal auf jedem Roboter einzeln implementiert (und gegebenenfalls wieder neu an geänderte Prozesse angepasst) werden. Auch die umfangreichen Prozessdiagnosefunktionen können nun über die 5G-Verbindung abgewickelt werden. »Dass lokale Diagnosen und Einstellungen über die Cloud erfolgen können, löst Experten und Expertinnen unter Umständen auch von der Notwendigkeit vor Ort zu sein«, betont Wittig. Teil des Projekts sei es deshalb, dass Verantwortliche beispielsweise über eine VR-Brille die Abläufe ‚sehen‘ und steuern können, obwohl sie nicht in der Halle sind.

Mit dem vorläufigen Abschluss des Projekts im Herbst 2022 ist die Arbeit der Forscher*innen aber längst nicht getan. Nachfolgeprojekte könnten die nötigen Erfahrungen nochmals deutlich verbreitern und auch 6G wird in wenigen Jahren in den Startlöchern zu ersten Versuchen stehen, um die industrielle Nutzung des Mobilfunks weiter zu beleben. Dann könnte die Industrie auf einer Infrastruktur aufbauen, die – auch Dank 5G CONNI – bereits erfolgreich genutzt wird.

(aku)

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  • Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik Heinrich-Hertz-Institut HHI
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