Industrie 4.0, Internet of Things, Smart City – drahtlose Sensornetze sind die Enabler der vernetzten Welt. Die Konzepte der Forscher vom Labor in die Realität zu bringen ist aber immer auch eine Frage der Kosten der Infrastruktur, die für den Weg der Daten zur Zentrale aufzuwenden sind. Das Fraunhofer IIS stellt eine neue Technologieplattform für Funknetze vor, die mit einem kompakten Empfänger die Daten von bis zu einer Million einfacher, kostengünstiger Funksensoren im Umkreis von zehn Kilometern problemlos einsammeln kann.

Schon wieder kein Netz! Für Handybenutzer ein Ärgernis, das sich (zumindest im städtischen Umfeld) meist schnell beheben lässt: In der Regel reicht ein Schritt vor die Tür oder um die nächste Ecke und der Empfang ist wieder da. Nicht zuletzt, weil die Netzbetreiber hohe Summen für leistungsfähigere Technik und zusätzlich Sendestationen aufwenden und die Kosten dafür sich auf den Schultern vieler Kunden verteilen. Bei Industrie 4.0- und Internet of Things (IoT)-Anwendungen sehen die Anforderungen anders aus: Erstens reicht ein »um die nächste Ecke gibt’s wieder Empfang« hier nicht aus. Sensoren, die weitläufige Produktionsanlagen oder sicherheitskritische Infrastrukturen überwachen sollen, müssen lückenlos und zuverlässig am Funknetz angebunden sein. Und zweitens muss die komplette Funkinfrastruktur meist erst noch aufgebaut werden, bei voller Kostenverantwortung des jeweiligen Systemnutzers. Auf einen Nenner gebracht bedeutet dies: Das gesamte Sende-Empfangssystem muss gleichermaßen hochzuverlässig und kosteneffizient gestaltet werden.

Mit der drahtlosen IoT-Plattform MIOTY entwickelten die Forscher des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS eine technische Lösung, die neue Maßstäbe bei Reichweite, Anbindungssicherheit und Kosteneffizienz für den Betrieb von Sensornetzen setzt.

Kostengünstige Standardsensoren sicher vernetzt

Die Sensoren, die etwa Bewegung, Licht, Temperatur oder Druck messen, um einzelne Anlagenzustände oder den Füllstand von Tonnen zu erfassen, nutzen als Sendesystem kostengünstige, kommerzielle Chips für Standard-Funksysteme. Häufig arbeiten diese beispielsweise mit einer Funkfrequenz von 868 MHz. Die dabei verfügbare Bandbreite reicht für das im Gegensatz zur Übermittlung von Sprache oder Video geringe Übertragungsvolumen von Sensormeldungen völlig aus. Allerdings gibt es da einen gravierenden Nachteil: Die Reichweite der Funkchips. »Die Sendeleistung in einem Standard-Funksystem genügt bei weitem nicht, um größere Anlagen oder Areale abzudecken«, sagt René Dünkler vom Fraunhofer IIS. Um eine verlässliche Anbindung zu gewährleisten, müsste der technische Auswand auf Seiten der Empfangsstationen deutlich erhöht werden. Das allerdings, so Dünkler, würde den Kostenvorteil theoretisch egalisieren. Das Team des Fraunhofer IIS hat dieses Problem nun aber gelöst. »Mit unserer Techniklösung wird der Einsatz der einfachen Funkchips sinnvoll. Denn wir setzen hocheffiziente Übertragungsverfahren ein und haben die Intelligenz der Funkempfänger mit Hilfe unserer MIOTY-Plattform deutlich erhöht«, sagt Dünkler.

Der Funkturbo für Reichweite und Energieeffizienz

Eine der Besonderheiten von MIOTY: Durch besonders effiziente Kanalcodierung erhöht sich der Empfangsbereich der neuen IoT-Plattform gegenüber Standard-Systemen bei 868 MHz um bis zu Faktor 10. Die Forscher setzen dafür Verfahren des Telegrammsplitting bei der Datenübertagung ein: Sensormeldungen werden also nicht mehr als zusammenhängender Datenstrom über die Funkstrecke geschickt. Sie sind nun in sehr kleine Datenpakete aufgeteilt und werden erst von der Empfangssoftware wieder zusammengesetzt. Diese Vorgehensweise bringt enorme Vorteile: Die Übermittlung der Minipakete ist wesentlich unempfindlicher gegenüber Störungen im Frequenzband.

»MIOTY« von Fraunhofer IIS setzt neue Maßstäbe für drahtlose Sensornetze: Ein Funkempfänger vernetzt bis zu einer Million Sender im Umkreis von über zehn Kilometern.
»MIOTY« von Fraunhofer IIS setzt neue Maßstäbe für drahtlose Sensornetze: Ein Funkempfänger vernetzt bis zu einer Million Sender im Umkreis von über zehn Kilometern. Bild: Fraunhofer IIS

Damit erhöht sich die Reichweite des nutzbaren Empfangsbereiches erheblich. Zudem arbeitet die Übertragung der Datentelegramme äußerst energiesparend. »Wir haben ein Sensornetz zwischen den beiden Standorten unseres Instituts in Erlangen und Nürnberg aufgebaut, um die Effizienz unter Realbedingungen zu testen. Trotz einer Entfernung von mehr als zehn Kilometern läuft die Sensoranbindung absolut robust und zuverlässig«, berichtet Dünkler.

Immer auf Empfang für eine Million Sender

Durch den Einsatz der besonders effizienten Kanalcodierung setzt die MIOTY-Plattform nicht nur bezüglich Reichweite, Störresistenz und Energieeffizienz neue Maßstäbe. Über nur einen Empfänger ermöglicht das IoT-System die Anbindung von bis zu einer Million Sensoren und Batterielebenszeiten bei den Sendeeinheiten von bis zu 15 Jahren. »Die Plattform ist insbesondere auch in der Lage, bis zu einer Million einzelner Sensoren anzubinden und ihre Daten zuverlässig zu verarbeiten und zu verwalten. Und dies mit Einsatz von nur einer einzelnen Empfangsstation«, so Dünkler. Die Plattform lässt sich universell für unterschiedlichste Sensortypen einsetzen und an verschiedenste Kontroll- und Analyseaufgaben anpassen. Die Überwachung ganzer Industrieanlagen ist ebenso mit MIOTY realisierbar, wie Smart-Grid- und Smart-Mobility-Systeme oder Sensorlösungen für die Stadt von Morgen. (stw)

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