Um mögliche Katastrophenfälle in Deutschland möglichst schnell zu beherrschen und Schlimmeres zu verhindern, üben Führungskräfte unterschiedlichster Einsatzgruppen regelmäßig eine effektive Zusammenarbeit. Unterstützt werden sie dabei nun vom »Trainingsmodul Stabslehre«. Das Simulationsprogramm gibt nicht nur unterschiedlichste Krisensituationen und -entwicklungen vor, es passt sich auch dem Verhalten der Teilnehmer an. Auf diese Weise werden zum Beispiel individuelle Schwächen erkannt.

Glück gehabt. Meistens. Gemessen an den rund 1.000 Naturkatastrophen, die der Rückversicherer Münchner Rück alleine für das Jahr 2014 als »Schadensereignisse« auflistet, steht Deutschland mit nur wenigen Ereignissen wie heftigen Orkanen, Hagelschlägen oder Überschwemmungen vergleichsweise »gut« da. Ähnlich verhält es sich bei technischen Unfällen in Industrieunternehmen, bei Flugzeug- oder Bahnunglücken oder gar im Bereich terroristischer Anschläge. Trotzdem werden auch hierzulande große Unglücke kaum ausbleiben – egal ob menschengemacht oder natürlichen Ursprungs.
Kommt es zum Katastrophenfall, ist - neben Hilfsmaßnahmen an sich - vor allem die Koordination der Einsatzkräfte entscheidend, um noch größeres Unglück weitgehend einzudämmen und den Betroffenen schnell zu helfen. In der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BKK) trainieren deshalb jährlich über 10.000 Fachleute die koordinierte Reaktion auf einen Katastrophenfall. Dabei geht es nicht um konkrete Hilfsmaßnahmen vor Ort, sondern um Übungen für die Führungsstäbe, die in der Regel den Koordinationsraum nicht verlassen, sondern von hier aus alle Maßnahmen und den Einsatz von Polizei, Feuerwehr, THW, Helfergruppen oder Notärzten abstimmen und steuern: Von der Bereitstellung der Gerätschaften oder den Aufbau einer Infrastruktur bis hin zur Verpflegung oder Toiletten.

Unterschiedliches Know-how

»Bislang wurden für die Übungen meist konventionelle Techniken eingesetzt. Die Planspiele wurden über simulierte Telefonate, Computereinblendungen und vor allem Papier und Stift abgewickelt«, beobachtet Prof. Klaus Peter Jantke vom Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT. Damit aber sind zwei wesentliche Probleme verbunden: Zum einen entsteht wenig »Bindung« zum eigentlichen Übungsfall, weil das Abstraktionsniveau hoch ist. Vor allem aber wird der »Übungserfolg« für die beteiligten Führungspersonen erschwert, weil die Kenntnisse und Erfahrungen ausgesprochen unterschiedlich sind. »Einige Personen arbeiten seit langem im Katastrophenschutz und kennen viele Vorgänge, neue Führungskräfte hingegen müssen sich erst einarbeiten. Bei ein und demselben Szenario arbeiten unter Umständen also Verantwortliche mit unterschiedlichstem Kenntnisstand zusammen«, sagt der Forscher.

Jantke und sein Team haben deshalb in den vergangenen vier Jahren das »Trainingsmodul Stabslehre« (TraSt) entwickelt, dass die Möglichkeiten der Computersimulation nutzt und Szenarien zur Verfügung stellt, bei denen sich weniger erfahrene Teilnehmer zunächst (beispielsweise von zu Hause aus) einarbeiten können. »Mit TraSt trainieren verantwortliche Einsatzkräfte eine von vier Rollen in einem virtuellen Krisenstab. Sie spielen dabei eine unübersichtliche Katastrophensituation durch. Dafür verarbeiten sie immer wieder neu eintreffende Informationen, kommunizieren mit anderen Stabsmitgliedern und treffen Entscheidungen, die sich auf den weiteren Handlungsverlauf auswirken«, erklärt Jantke.

Dabei ist es durchaus gewünscht, dass Rollen getauscht werden: Der Polizeichef übernimmt also nicht konsequenterweise diese Rolle bei TraSt. Auf diese Weise soll das gegenseitige Verständnis erhöht werden. Zudem passt sich das Modul auch den charakterlichen Eigenheiten der »Spieler« an. Wer dazu tendiert, sich eher auf schriftliche Anweisungen zu verlassen und wenig spricht, der wird vermehrt in Situationen kommen, wo er mit seinen Kollegen mündlich kommunizieren muss.

Hochgradig adaptiv

»Das ganze System ist hochgradig adaptiv. Es ist so programmiert, dass es sich auf das Verhalten der Teilnehmer einstellt und die Entwicklung so steuert, dass der Lerneffekt möglichst umfassend ist«, sagt Jantke. Dafür haben die Forscher unter anderem auch eine spezielle »Storyboard Interpretation Technologie« entwickelt. Ähnlich einem komplexen Rollenspiel für eine Konsole bewegt sich TraSt zwar innerhalb eines vorgegebenen Rahmens für das sich stets weiter fortschreitende Szenario, setzt die Entwicklung der Handlung aber auch in Abhängigkeit von den Verhaltensweisen der Teilnehmer. 

Rund drei reale Tage dauert üblicherweise ein derartiges Krisentraining. Weil TraSt die Zeit bis zum nächsten Entwicklungsknoten auch schneller ablaufen kann, lassen sich Krisenverläufe von zwei Wochen simulieren. (aku)

Keine Kommentare vorhanden

Das Kommentarfeld darf nicht leer sein
Bitte einen Namen angeben
Bitte valide E-Mail-Adresse angeben
Sicherheits-Check:
Drei + = 3
Bitte Zahl eintragen!
image description
Experte
Alle anzeigen
Prof. Dr. Dr. Klaus Peter Jantke
  • arbeitete bis 2016 am Fraunhofer IDMT, ist jetzt jedoch nicht mehr bei Fraunhofer tätig.
Kontakt für die Medien: Christian Colmer
  • Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT - Oldenburg
Weitere Artikel
Alle anzeigen
Wenn sonst nichts mehr funktioniert
Rechenziel: Fairverteilung
Den Überblick behalten
Stellenangebote
Alle anzeigen