In einigen Unternehmen und Branchensektoren hat sich die additive Fertigung mit dem 3D-Drucker bereits fest etabliert. Sie liefert Ersatzteile nach Bedarf, Industriewerkzeuge in Kleinserie oder individuelle Produkte als Unikat. Für die breite Masse der Unternehmen, vor allem für KMUs, ist die Technologie aber noch nicht einsetzbar. Denn die Hürden für die Projektabwicklung sind hoch, Spezialwissen fehlt. Ein digitales Ökosystem eröffnet nun aber auch kleineren Unternehmen Chancen für den 3D-Druck mit additiven Fertigungstechnologien.

Produkterstellung, digitale Aufbereitung, Druckvorstufe, Gerätekalibrierung, Fertigung – soweit es sich dabei um ein Papierdokument im DIN-Format handelt, genügen dafür die Eingabe in eine Textsoftware, ein Mausklick oder ein Fingertouch auf den Druck-Button und ein Desktopdrucker. Beim 3D-Druck ist der Weg von der Idee bis zum fertigen Teil erheblich verzweigter: Erst einmal müssen Experten klären, ob die gewünschte Form und Funktion für eine additive Fertigung geeignet ist. Dann wird ein 3D-CAD-Modell benötigt, das entsprechend der spezifischen Anforderungen des eingesetzten 3D-Druckverfahrens angepasst und aufbereitet ist. Je nach Material, Form und Eigenschaften muss dann die richtige Drucktechnologie und das passende Gerät ausgewählt werden. Und auch das optimale Rohmaterial. Sogar der Standort des Equipments spielt eine Rolle. »Wenn Sie dasselbe Produkt mit demselben 3D-Drucker und demselben Material einmal in Hamburg und einmal in Mexiko ausdrucken lassen, können sich Produkteigenschaften wie Oberflächenstruktur oder Bruchfestigkeit erheblich unterscheiden«, erläutert Christian Wollny vom Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST. Denn neben rein technischen Kriterien beeinflussen auch Faktoren wie Umgebungstemperatur, Luftdruck und klimatische Verhältnisse das Druckergebnis. Hinzu kommt, dass je nach Geometrie des Druckvorhabens geeignete Stützstrukturen entwickelt werden müssen, die den Aufbau des Bauteils während der Fertigung in der gewünschten Form ermöglichen. Auch die Schritte der Nachbearbeitung wie Entfernen des Stützmaterials und Oberflächenfinish sind fester Bestandteil eines (erfolgreichen) 3D-Druckauftrags.

»Die additive Fertigung ist zumindest derzeit noch von sehr vielen eher experimentellen Vorgehensweisen geprägt. Entsprechend hoch sind die organisatorischen und technischen Hürden, die ein Unternehmen dafür überwinden muss«, betont Wollny. Sicherlich der längste und teuerste Weg dorthin wäre für kleine und mittlere Unternehmen, sich selbst einen Gerätepark anzuschaffen, eigene Mitarbeiter*innen in der Technologie ausbilden zu lassen und sich dann mit viel Geduld und Fehlversuchen an das gewünschte 3D-Druckergebnis heranzutasten. Einfacher und schneller ist eine Zusammenarbeit mit ausgewiesenen Spezialist*innen in der Technologie, erfahrenen Umsetzer*innen und optimal ausgestatteten 3D-Druckdienstleister*innen. Dann bleibt für die KMUs jedoch immer noch das Problem, diese zu finden und zu einem erfolgreichen Team zusammenzuführen. Solche Kooperationen (fast) so einfach und ergebnissicher zu gestalten, wie den Druck eines Dokuments auf Papier, hat das von der Europäischen Kommission geförderte Projekt »AMable – Additively Manufacturable« nun mittels eines servicezentrierten digitalen Ökosystems realisiert.

Einfach und sicher Netzwerken

Zugute kommt den Projektpartner*innen dabei, dass der gesamte Workflow in der additiven Fertigung – von der Idee bis zum 3D-gedruckten Produkt – nahezu vollständig digitalisiert ist. Ein Marktplatz, auf dem sich die Anbieter*innen von Know-how und Druckdiensten mit den Unternehmen treffen, muss also kein physischer Ort sein. Vielmehr ist ein offener, gemeinsamer Datenraum ideal, um rund um den Globus zusammenzuarbeiten. Dieser Online-Marktplatz muss allerdings sehr strenge und spezifische Anforderungen erfüllen können. Denn auf allen Entwicklungs- und Bearbeitungsstufen der additiven Fertigung ist es notwendig, teils hochsensible Informationen und Daten auszutauschen.
Das Forscher*innen-Team vom Fraunhofer ISST baute daher gemeinsam mit den Projektpartnern ein digitales Ökosystem auf. Der Zugang zu dem Datenraum erfolgt dabei über eine spezielle Konnektorsoftware (siehe auch InnoVisions-Artikel »Der Industrial Data Space wird Unternehmensalltag«). Grundlage des damit aufgebauten Netzwerkes sind die Konzepte und Regeln für »International Data Spaces« (IDS), die von der gleichnamigen internationalen Forschungsvereinigung erarbeitet wurden. »Die umfassende Anwendung der IDS-Prinzipien gewährleistet einen sicheren Datenaustausch in einem Netzwerk zertifizierter Teilnehmer und ein Höchstmaß an Datensouveränität für jeden der Beteiligten«, erklärt Wollny.

Blockchain schützt geistiges Eigentum

Viele der Projekte, die kleine und mittelständische Unternehmen mit Hilfe additiver Fertigung planen und umsetzen, sind besonders ideenreich und haben ein entsprechend hohes, vielversprechendes Marktpotenzial. »Der Schutz betriebsinterner Daten und des geistigen Eigentums muss innerhalb eines dafür geeigneten digitalen Ökosystems deshalb absolute Priorität haben«, erklärt Wollny. Sein Team hat in den Datenraum deshalb ein zusätzliches Sicherheitssystem integriert. Die IDS-Konnektoren wurden dafür mit einer Schnittstelle zu einem Blockchain-Netzwerk ausgestattet. Alle Vereinbarungen und Verträge, die zwischen den Marktteilnehmern abgeschlossen werden sowie alle Datenübertragungen und Bearbeitungsschritte im Zuge der Projekte dokumentiert die Konnektorsoftware in einer Blockchain. Die Informationen zu Vorgängen und Änderungen können damit zu jeder Zeit abgerufen und lückenlos nachvollzogen werden. Die Blockchain-Technologie schließt eine unbemerkte Modifikation der Einträge aus.

Auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Forschungsprojekt

Zahlreiche europäische Unternehmen und Akteur*innen aus dem Bereich der additiven Fertigung sind als Industriepartner an dem Projekt beteiligt. Die über das AMable-Netzwerk verfügbaren Dienste können so die gesamte Entwicklungs- und Wertschöpfungskette abdecken. Der Betrieb des Ökosystems soll über die Projektlaufzeit fortgesetzt werden. Die Bandbreite der Ideen und Projekte der Unternehmen, die AMable bereits für den Zugang zu additiven Fertigungstechnologien nutzen, reicht von kundenindividuell gefertigten Sporthelmen und medizinischen Hilfsmitteln bis zur Planung und 3D-Druck komplexer Lüftungskanalsysteme für Schienenfahrzeuge. Bisher nicht beteiligte Unternehmen, die wissen und erproben wollen, ob ein Produkt oder eine Idee mittels 3D-Druck umsetzbar ist, können eine Verbindung zu dem Datenraum einrichten und dann die angebotenen Leistungen nach Bedarf per Servicevertrag ganz einfach buchen. Auf unserer Webseite finden Sie alle Informationen zur Nutzung des Amable-Marktplatzes.

(ted)

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  • Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST
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