Der Einsatz von Robotern bei einem Atomkraftwerksstörfall wurde im Juli 2019 im AKW Zwentendorf erprobt. Verschiedene Teams traten hier beim »European Robotics Hackathon« (EnRicH) an und präsentierten Roboter, die im Ernstfall verschiedene Aufgaben lösen sollten. Im ersten Teil unseres Interviews erklärte Hackathon-Teilnehmer Boris Illing vom Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE bereits, wie diese Aufgaben konkret aussahen. Im Folgenden erläutert er, wie sich das Team auf die spezielle Aufgabe vorbereitet hat und was den Hackathon besonders macht.

Das ist der zweite Teil eines zweiteiligen Interviews. Der erste Teil ist am 17. September bei uns erschienen.

Herr Illing, die Vorbereitung auf Aufgaben wie sie beim EnRicH gestellt werden, ist bestimmt nicht einfach, zumal die äußeren Umstände in Fällen wie diesen eben nicht einfach nachgebildet werden können. Wie hat sich Ihr Team also auf den Hackathon vorbereitet?

Nun, wir versuchen bei diesen Wettbewerben ja Aspekte einzelner Projekte, die wir gerade bearbeiten, zu zeigen. Aktuelle Forschungsstände und Ergebnisse werden präsentiert. Natürlich erfolgen auch Anpassungen an diesen speziellen Anwendungsfall.
In unserem vierköpfigen Team haben wir uns die Aufgaben nach unseren Arbeitsschwerpunkten aufgeteilt. Aber wir haben nicht monatelang ausschließlich auf den Hackathon hingearbeitet – das ist gar nicht möglich.
Letztendlich geht es darum, unsere tatsächlichen Projekte auch der Öffentlichkeit vorzustellen. Um das dann für diesen Anwendungsfall, den Hackathon, aufzubereiten, braucht es aber trotzdem ein bisschen Zeit. Das hängt ganz davon ab, wie viel geändert werden muss. Manche Teams bereiten sich ein halbes Jahr lang darauf vor, andere nur ein bis zwei Monate oder ein paar Wochen.

Der größere Roboter des Fraunhofer FKIE war mit einem Manipulatorarm ausgestattet. Bild: Fabian Vogl

Sie haben bereits zum zweiten Mal an dem EnRicH teilgenommen. Was macht diesen Hackathon generell so besonders und was war speziell für Sie der schönste Moment bei der diesjährigen Teilnahme?

Schön an speziell diesem Hackathon ist, dass es kein richtig festes Punkteschema gibt. Das ist sonst bei anderen Wettbewerben der Fall. Da gibt es dann natürlich Teams, die sich vorab informieren, wofür es die meisten Punkte gibt und ihre Roboter dann genau auf diese Aspekte hin optimieren. Beim EnRicH geht es eher darum, auch Neues auszuprobieren. Es geht darum, das Konzept zu vermitteln und auch miteinander zu arbeiten.

Das ist auch etwas, dass mir persönlich besonders gefallen hat: das gute Miteinander. Der Wettbewerb an sich steht gar nicht so sehr im Vordergrund. Es gibt zwar Preise zu gewinnen und natürlich ist es auch schön, wenn man einen Preis mit nach Hause nehmen kann – aber letztendlich ist das vorrangige Ziel, sich mit den anderen Teams auszutauschen. Vor Ort stellt man z.B. fest: Es gibt viele ähnliche Probleme, an denen die Teams scheitern und es hilft ungemein, sich darüber zu beratschlagen, was wer und wie macht, um diese Probleme zu lösen. Änderungen werden dann auch oft direkt umgesetzt oder zumindest versucht umzusetzen. Man präsentiert beim Hackathon schließlich keine fertige Lösung.

Das Team des Fraunhofer FKIE trat mit zwei verschiedenen Robotern beim Hackathon an: eine Besonderheit. Bild: Fabian Vogl

Den schönsten Moment von diesem Jahr konkret zu benennen, ist gar nicht so einfach. Ich glaube, worauf die meisten Teams hin fiebern – und das hat man natürlich auch bei uns gemerkt – ist zu sehen, wie die Roboter in Aktion treten. Die Robotik ist ein sehr komplexes und interdisziplinäres Thema und man arbeitet sehr lange an Technik und Algorithmen, passt diese an, bereitet sich auf den Wettbewerb vor und wenn man dann vor Ort ist und anhand von realen Daten feststellen kann: Es funktioniert wirklich wie geplant, dann ist das ein ziemlich toller Moment und eine großartige Bestätigung.

Das ist sehr gut nachvollziehbar – und es ist schön zu hören, dass der Wissenserwerb eindeutig im Vordergrund stand. Können Sie dennoch eine Bilanz ziehen, wie das Team des FKIE generell abgeschnitten hat und uns sagen, welche wichtigen Schlüsse aus den Ergebnissen für die Zukunft gezogen werden können.

Tatsächlich konnten wir einen Preis mit nach Hause nehmen. In der Search-and-Rescue-Aufgabe haben wir den Preis für die beste Lösung gewonnen. Die Jury war angetan von der Idee, zwei kooperierende Roboter zu verwenden, einen, der alles untersucht und einen, der dann gezielt den Arbeiter retten kann. Außerdem konnten wir durch unsere intuitive Manipulatorsteuerung den Arbeiter sehr behutsam herausziehen. In der Kartierungsaufgabe haben wir den zweiten Platz belegt, den ersten erreichte der Roboter der TU Darmstadt. Der Vorteil des Roboters der TU war, dass es kombinierte Karten gab für die Umgebung, Strahlenmesswerte und den verletzten Arbeiter.
Es wird aber noch eine Weile dauern, bis wir die ganzen Daten, die dort aufgenommen wurden, gesichtet haben. Diese Datenanalyse läuft nun parallel zur Projektarbeit. Die Ergebnisse werden später sicherlich auch in unsere Forschung mit einfließen.

Stolz über den Erfolg - die Roboter des Teams vom Fraunhofer FKIE konnten beim Hackathon überzeugen. Bild: Fabian Vogl

Was man aber generell schon feststellen konnte, ist, dass wir im Vergleich zum letzten EnRicH einen großen Entwicklungsschritt gemacht haben. Wir konnten gute Karten erstellen, der Kartierungsroboter ist weitgehend autonom gefahren und wir haben sogar die Möglichkeit eingebunden, mit VR zu arbeiten, um die Bewegungen des Manipulatorarms besser verfolgen zu können. Luft nach oben gibt es aber natürlich immer. Den Aspekt der Autonomie sollten wir beispielsweise weiter vorantreiben. Vielleicht haben wir ja die Möglichkeit beim nächsten Hackathon einen wiederum verbesserten Roboter zu präsentieren. Denn während der Veranstaltung hat sich herausgestellt, dass es noch eine Ausführung des EnRicH geben wird, die in zwei Jahren stattfindet. Dort sollen neben den bisherigen Schwerpunkten auch fliegende Systeme, sowohl kooperierend als auch deren Abwehr, thematisiert werden.

(cst)

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Interviewpartner
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Boris Illing
  • Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE
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