Als älterer Mensch fange ich eventuell noch einmal Feuer, wenn ich vergesse, den Herd abzuschalten. Das wissen altersgerechte Herde und helfen mir bald. Ich bin jetzt 57. Leider habe ich ja schon einen Herd. Wahrscheinlich kostet dessen Aufrüstung so viel wie ein altersgerechter, der so eine Automatik dabei hat und deshalb aus Sicherheitsgründen doppelt so viel kostet wie ein normaler neuer.

Sie merken, ich bin irgendwie innerlich aufgebracht.
Es ist nämlich so: Ich gehöre zu denen, die öfter die Kaffeemaschine angeschaltet lassen und schreckliche Ungewissheitskämpfe im Auto mit sich ausfechten, wenn es zum Umkehren schon zu spät ist. Das Problem ist dabei gar nicht beängstigend groß, weil ich schon so lange verheiratet bin und mein AAL („Ambient Assisted Living“) ja noch ganz traditionell dabei habe. Den Herd lasse ich auch öfters an, ich koche am Wochenende. Beim Essen höre ich aber immer den Thermostat und reagiere sofort als Zweiter in der Familie. In der vergangenen Woche verschied unsere Kaffeemaschine. Die neue schaltet jetzt nach zwei Stunden ab! Hurra! Sie ist mir gerecht, und jetzt offenbar auch AALtauglich, oder? So einen Herd mit etwas Intelligenz hätte ich auch gerne. Ein Navi, das die nächste öffentliche Toilette anzeigt oder die Schrift größer stellt, wenn ich „Brille vergessen“ eintippe. Wenn ich etwas über AAL im Gesundheitsbereich lese, wo Ältere durch Sensoren erinnert werden, doch bitte ihre Tabletten zu nehmen, regt sich in mir der Unwille. Da erfinden Leute etwas, was ich selbst wohl in zehn Jahren nutzen soll, weil ich es dann irgendwie nutzen MUSS. Aber das meiste wäre doch für normale Menschen auch gut? Die Intelligenz in E-Geräten? Könnte nicht zum Beispiel der Teppich den Staubsauger automatisch abschalten, weil der ihn schon zu lange quält? Kennen Sie viele normale Menschen, die ihre Tabletten echt nach Plan einnehmen? Oder immer an Verhütung denken? Kann ein Auto nicht an der Fahrweise merken, dass Alkohol am Steuer sitzt?

Ich werde unwillig, weil wir die neuen Technologien ganz oft für solche unter uns propagieren, denen wir sie aufzwingen zu können glauben. Kinder und Ältere brauchen AAL als Hilfe, ja - meinetwegen. Dieselbe Hilfe brauchen alle anderen noch viel mehr, weil sie ja die große Masse der Fehler begehen! Von all diesen aber, die es gerade nötig hätten, wird elektronische Steuerung immer verächtlich als Bevormundung abgetan und mit ethischen Hinweisen auf menschliche Entscheidungsfreiheit elegant abgelehnt. Für das Erforschen geeigneter Herdknöpfe für Ältere aber gibt der Staat Geld für Doktorarbeiten. Ist das richtig? Muss nicht in allen Köpfen etwas anders werden? Wenn jemand zum Psychotherapeuten muss, ahnt er, dass er irgendwie nicht stimmt. Wenn meine Kinder mir irgendwann einmal einen Herdknopf zu Weihnachten schenken – was denke ich dann? AAL für ALLE! AAL in allen Situationen! Und nicht weltanschaulich verbrämt mit Hinweisen auf Gesundheit oder Umweltschutz („AAL GRÜN“). Ich möchte AAL jetzt schon, auch wenn ich noch so jung bin.

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Prof. Dr. Gunter Dueck
  • Kolumnist, Schriftsteller, Unternehmer
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