Bei der telefonischen Kundenberatung sind komplexe Aufgabenstellungen und simultan zu bewältigende Arbeitsprozesse die Regel: Für eine gute Beratungsleistung ist daher eine hohe Sprachverständlichkeit beim Telefonieren ebenso wichtig wie die bestmögliche Mitarbeiterunterstützung bei der Informationssuche zur Lösungsfindung. Um insbesondere bei älteren Mitarbeitern einer Überforderung vorzubeugen, werden neue technische Möglichkeiten entwickelt und erprobt, mit denen sich die Mensch-Technik-Interaktion an die sensorischen und kognitiven Fähigkeiten des jeweiligen Nutzers anpassen lässt.

Alltag im Großraumbüro der Kunden-Hotline: Dutzende Mitarbeiter telefonieren gleichzeitig mit Anrufern, die Unterstützung bei der Bedienung der neuen Version eines Softwareprodukts benötigen. Jeder einzelne Mitarbeiter ist in den Dialog mit seinem Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung vertieft. Parallel dazu hat er über seinen Arbeitsplatz-PC Zugriff auf Kundendaten und Informationen verschiedener Datenbanken für eine schnelle Problemlösung. Das Arbeiten in der telefonischen Kundenbetreuung erfordert ein Höchstmaß an Konzentration: In der Regel müssen mehrere Aufgaben simultan bewältigt werden. Zudem wird die telefonische Arbeit oft durch störende Umgebungsgeräusche oder eine schlechte Verständlichkeit des Anrufers etwa durch Störungen bei einer Verbindung über ein Mobilfunknetz erschwert.

Insbesondere für ältere Mitarbeiter wird eine derartige Arbeitsumgebung leicht zur Belastung: Bei rund einem Drittel der Beschäftigten im Alter zwischen 50 und 67 ist das Hörvermögen verringert. Die Arbeitssituation im Telefon-Support führt bei den Betroffenen daher zu schnellerer Ermüdung und zu einer Beeinträchtigung der Kommunikationsleistung. Andererseits sind die älteren Mitarbeiter für die Unternehmen zunehmend unverzichtbar. Grund dafür ist nicht nur ihre Erfahrung und ihr Know-how. Aufgrund des demografischen Wandels nimmt der Anteil der älteren Arbeitnehmer in der gesamten Wirtschaft stetig zu. Bis zum Jahr 2030 wird sich das Durchschnittsalter der Erwerbstätigen sogar stärker erhöhen als bisher, da die geburtenstarken Jahrgänge von 1960 bis 1965 aktuell die 50-Jahre-Marke bereits überschritten haben oder kurz davor stehen.

In dem Projekt »KANTATE« (Kognitive-Assistenz-Technologie für ältere Arbeitnehmer an Telearbeitsplätzen) erforscht der Oldenburger Softwarehersteller MICOS gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT, dem Hörzentrum Oldenburg und den Unternehmen Cognesys und YOUSE, wie intelligente Software sowie Sprach- und Hörtechnologien eingesetzt werden können, um Arbeitsplätze in der telefonischen Kundenbetreuung besonders für ältere Mitarbeiter zu verbessern. Das im Oktober 2013 gestartete 3-Jahres-Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF im Rahmen des Förderschwerpunktes »Mit 60+ mitten im Arbeitsleben – Assistierte Arbeitsplätze im demografischen Wandel« gefördert.

Ein Forschungsschwerpunkt am Fraunhofer IDMT ist dabei die Integration einer individuell anpassbaren Technikunterstützung zum Ausgleich von Hörminderungen in den Head-Set-Systemen der Telefonarbeitsplätze. Die Forscher nutzen dabei technische Verfahren zur Verbesserung der Sprachverständlichkeit der eingehenden Signale am Telefon, die ähnlich funktionieren, wie die Signalverarbeitung in modernen Hörgeräten. »Durch eine frequenzabhängige Verstärkung der Signale kann zum Beispiel gezielt das Nachlassen des Hörvermögens hoher Frequenzen ausgeglichen werden. Im Gegensatz zum Hörgerät soll die individuelle Anpassung der Hörunterstützung am Telefon jedoch ohne aufwendige Hörtests und Parameterjustierung durch einen Fachmann möglich sein«, erklärt Stefan Goetze vom Fraunhofer IDMT. Die Forscher entwickeln und erproben dafür verschiedene neue Interaktionslösungen für ein schnelles und einfaches Einstellen der individuellen Hörunterstützung direkt am Arbeitsplatz durch die Mitarbeiter selbst. Speziell zur Verbesserung der Sprachverständlichkeit in einer Arbeitsumgebung von Großraumbüros werden zusätzlich auch Systeme getestet, mit denen sich störende Umgebungsgeräusche gezielt blockieren lassen.

Ein zweiter Schwerpunkt der Projektarbeiten ist die Unterstützung der Mitarbeiter im Telefon-Support bei der Suche nach Informationen zu den Dialogthemen mit dem Kunden. Am Telefon des Mitarbeiters wird dazu eine Spracherkennung integriert, die das Gespräch mit dem Kunden simultan erfasst und analysiert. Damit wollen die Forscher erreichen, dass der Mitarbeiter während des Telefonats automatisch am Bildschirmarbeitsplatz die passenden Informationen zur Lösung des Kundenproblems angezeigt bekommt. Auch hier spielt die Gestaltung der Interaktion des Nutzers mit dem System eine herausragende Rolle. »Bereits in der Entwicklungsphase dieses Vorschlagssystems werden die Systemnutzer intensiv eingebunden. Denn die Akzeptanz eines solchen Systems hängt maßgeblich davon ab, dass die Art und der Umfang der angezeigten Informationen dem Mitarbeiter auch tatsächlich in seiner Arbeitsaufgabe hilft«, so Goetze. Die Schnittstelle zwischen dem Nutzer und dem System muss daher so gestaltet sein, dass er die automatische Themenvorrecherche nach seinen eigenen Wünschen einstellen kann. Zusätzlich soll das System auch selbsttätig das Suchverhalten und die Informationsnutzung des jeweiligen Nutzers beobachten können und so selbsttätig »verstehen« können, wie er bei seiner Arbeit bestmöglich unterstützt werden kann. (mab)

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Dr. Stefan Goetze
  • Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT
Kontakt für die Medien: Christian Colmer
  • Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT - Oldenburg
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