Das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE unterstützt Unternehmen dabei, ihre IT-Infrastruktur oder Software auf künftige Aufgaben vorzubereiten. Für den Finanzbuchhaltungssoftwareanbieter FibuNet GmbH hat das Institut unter anderem ein User Experience (UX)-Konzept erstellt und den Umzug von einer Desktop-Anwendung zu einem webbasierten Ansatz vorbereitet. Ziel war es, die Benutzer*innenfreundlichkeit und Effizienz der etablierten Anwendung zu erhöhen.

Buchhaltung hatte lange Zeit ein eher angestaubtes Image. Vielleicht ändert sich das aber, wenn einige dieser Neuerungen nun auch dafür sorgen, dass Aktendeckel, Leitz-Ordner oder alte Eingabemasken traditionell gewachsener Programme endgültig eingemottet werden und eine leistungsstarke und vielseitige Software die Aufgabe übernimmt, das Rechnungswesen komplett und souverän zu digitalisieren. Anbieter*innen für derartige Buchhaltungsprogramme gibt es einige und fast alle dürfen für sich in Anspruch nehmen, Kund*innen mit ihrer Software zufriedenstellen zu wollen. Allerdings wäre es ein Fehler, wenn die Software regelmäßig »nur« durch neue Vorgaben im Rechnungswesen up to date gehalten würde. Kund*innen erwarten mittlerweile deutlich mehr von ihrem Softwarespezialist*innen – neben rechtssicheren Lösungen sind das auch eine Vielzahl technologischer, problemlos laufender Hintergrundprozesse, die die Digitalisierung und die Automatisierung buchhalterischer Abläufe vorantreiben und vor allem eine möglichst aktuelle und nutzerfreundliche Anwendung.

Das weiß unter anderem auch die FibuNet GmbH. Das Unternehmen aus Schleswig-Holstein wirbt sogar damit, seine Produkte und Services durch Erweiterungen und Re-Engineering stets auf aktuellem technologischem Stand zu halten.

 

Architekturerweiterung mit Web-Clients

Eine besondere Herausforderung liegt darin, dass die Entwicklung neuer Interaktionskonzepte für bestehende Lösungen schwierig umzusetzen ist, – insbesondere wenn die benötigten Kompetenzen zuerst im Unternehmen aufgebaut werden müssen. Entsprechend suchte die FibuNet GmbH Unterstützung im Bereich Web-Technologie. Das Unternehmen entschied sich für das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE als Partner, um gemeinsam ihre Finanzbuchhaltungssoftware, – die ebenfalls FibuNet heißt – durch die Entwicklung eines Web-Clients zu modernisieren.

»FibuNet hat bisher ein Client-Server-System on-premise betrieben. Dabei wird die lizenzierte Software von Servern bereitgestellt und kann von den Clients in ihrer eigenen IT-Umgebung genutzt werden«, erklärt Prof. Claudia Nass Bauer vom Fraunhofer IESE. Letztlich bedeutet das, dass jeder und jede Nutzer*in ein Lizenzprogramm auf seinem Computer fest installiert. Nun sollte dieses System durch eine Verlagerung ins Web und eine Nutzung über Browser deutlich flexibler und zudem durch umfassende Cloud-Angebote erweitert werden. Der Vorteil dabei: »Das Programm kann durch die technologische Veränderung besser gewartet werden und außerdem kann es auf moderne Interaktionskonzepte umgestellt werden, die einen positiven Effekt auf die Nutzung haben können«, sagt Nass Bauer.

Das Team entwickelte für die bis dahin effizienzoptimierten, aber sehr konventionell gehaltenen Nutzer*innen-Eingabemasken ein neues User Experience-Konzept. »Anwender*innen sind mittlerweile deutlich andere Interaktionen gewohnt, als dass vor vielleicht 20 Jahren bei Einführung der Software üblich war«, erklärt Nass Bauer. Deshalb hat das Fraunhofer IESE ein Interaktionskonzept ausgearbeitet, in dem unter anderem klassische reiterbasierte Masken durch fließende Interaktionskonzepte auf einer Seite ersetzt wurden. »Entscheidend für die User Experience ist aber nicht nur die Erleichterung der Eingabe an sich, sondern auch die durch die Nutzer*innen wahrgenommene Verbesserung bzw. die Identifikation mit der Anwendung«, sagt Nass Bauer. Durch Modernisierungen der UX – das zeigen die Ergebnisse anderer Projekte, die Nass Bauer am Fraunhofer IESE übernommen hatte – sind potenzielle Effizienzsteigerungen und die Zufriedenheit bei der Arbeit bzw. bei der Nutzung einer Geschäftsanwendung teilweise im zweistelligen Prozentbereich möglich.

 

Webbasierte Anwendung

»Desktop-Applikationen, so wie sie FibuNet bislang genutzt hatte, erfordern einen grundlegend anderen Ansatz als modernere, webbasierte Software«, erklärt Nass Bauer. Beispielsweise müsse berücksichtigt werden, dass sich die Mechanismen der Interaktion unterscheiden können und die Interaktionsmechanismen dementsprechend umgestaltet werden müssen. Andererseits müssen die Qualitäten der Software unbedingt erhalten bleiben: »Die FibuNet-Software hat umfangreiche Stärken unter anderem bei der Unterstützung von Poweruser*innen, eine hohe Performance und eine hohe Zuverlässigkeit«, urteilt Nass Bauer. Das bleiben auch bei der webbasierten Software die entscheidenden Eckpunkte.

Startpunkt für die Neukonzeption durch das Fraunhofer IESE war die Bestandsaufnahme der Ist- und Sollsituation der Software. Mehrere potenzielle Anwender*innen sollten deshalb die Software unter dem Gesichtspunkt ihrer üblichen Arbeitsabläufe testen, um Pluspunkte und ein mögliches Verbesserungspotenzial zu bestimmen. Die Forscher*innen des Fraunhofer IESE hatten sie darum gebeten, ihre jeweils nächsten Arbeitsschritte verbal anzukündigen und dann beobachtet, wo mögliche Hürden bei der Nutzung von FibuNet liegen. »Diese Informationen waren die Basis für unser neues User Experience-Konzept und das Interaktionsdesign. Wir mussten dabei zwar einerseits Neuerungen konzipieren, andererseits aber einen hohen Wiedererkennungswert gewährleisten, um die bisherigen Nutzer*innen nicht zu irritieren«, so Nass Bauer.

Parallel dazu bereitete das Team die technologische Migration zum Web-Client vor. »Unser Hauptaugenmerk lag auf dem verwendeten Web-Framework und den Komponentenbibliotheken, damit das Unternehmen für sein künftiges Angebot auf eine für seinen Zweck geeignete Webtechnologie zurückgreifen konnte. Besonders wichtig war uns auch, dass die Entwickler von FibuNet in Zukunft gut mit der neuen Technologie arbeiten können«, ergänzt die Forscherin.

Insgesamt rund ein halbes Jahr hat das Projekt in Anspruch genommen. »Wir haben dabei – wie bei anderen Projekten auch – eine beratende Funktion übernommen; das eigentliche Durchführen der Modernisierung übernehmen die Unternehmen wie die FibuNet GmbH in der Regel selbst«, sagt Nass Bauer. Die »renovierte Software« ist zurzeit in der Entwicklung und wird auf absehbare Zeit von weit über 1.000 Kund*innen des Unternehmens genutzt.


(aku)

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