Die mobile App CHESS macht den Museumsbesuch zum interaktiven Highlight. Sie präsentiert dem Besucher eine auf seine Interessen zugeschnittene Route und reichert den Rundgang mit Multimedia-Inhalten wie Videos, 3D-Animationen und Augmented Reality an. So können historische Ereignisse miterlebt und Ausstellungsstücke zum Leben erweckt werden. Interaktiver Begleiter ist dabei das eigene Smartphone oder Tablet. Ziel ist es, den Besuch von Kulturstätten interessanter und persönlicher zu gestalten, um insbesondere Museumsneulingen und jungen Menschen den Zugang zu erleichtern.

Über 6.000 Museen gibt es allein in Deutschland. Laut dem Institut für Museumsforschung in Berlin verzeichnen sie jedes Jahr über 100 Millionen Besuche. Ein Team aus europäischen Forschern hat sich nun mit der Frage beschäftigt, wie ein Museumsbesuch mit Hilfe digitaler Medien spannender und reichhaltiger gestaltet werden kann. Die Antwort liefert das Projekt (»Cultural Heritage Experiences through Socio-Personal Interactions and Storytelling«). Gemeinsam mit sechs weiteren Partnern aus Frankreich, Großbritannien und Griechenland hat das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD in Darmstadt im Rahmen des von der EU geförderten Projekts eine mobile Applikation entwickelt, die den Museumsbesuch nicht nur interaktiver sondern auch individueller macht.

Die App wurde bereits erfolgreich im Cité de l'Espace Toulouse und im Akropolis-Museum in Athen getestet: Im französischen Themenpark Cité de l'Espace beispielsweise konnten die Besucher während einer sechsmonatigen Testphase unter anderem in die Geschichte um den französischen Astronauten Philippe Perrin eintauchen, das Leben im Weltraum kennenlernen und den Astronauten dabei begleiten, wie er das erste Mal aus dem All auf die Erde schaut.

Wie sich auch jahrtausendealten Ausstellungsstücken mittels Augmented Reality (AR) neues Leben einhauchen lässt, zeigt ein Video, das in den Ausstellungsräumen des Akropolis-Museums aufgenommen wurde: Auf dem Tablet-Bildschirm des Besuchers erscheint eine Statue der griechischen Jagdgöttin Artemis plötzlich in ihrem ursprünglichen, farbenprächtigen Gewand und erzählt dem Besucher ihre Geschichte via Audio-Kommentar. Augmented Reality meint die computergestützte Erweiterung der Realität, etwa durch eine visuelle Darstellung wie die des Artemis-Gewands.

»Das Spannende ist der Mix aus unterschiedlichen Medien, der einen interaktiven und spielerischen Zugang ermöglicht. Hier reiht sich auch Augmented Reality ein«, erklärt Media-System Designer Jens Keil vom CHESS-Projektteam am Fraunhofer IGD. Die Forscher des Fraunhofer IGD haben das mobile AR-System kreiert. Dabei sind mehrere Demonstratoren entstanden, die den sogenannten »Video-sees-through«-Effekt verwenden, der über die Kamera des Geräts eine 3D-Tracking-Technologie nutzt und bei dem der Besucher wie beim Artemis-Beispiel durch seinen Bildschirm auf das Exponat schaut. »Mit AR eröffnen sich neue Möglichkeiten in der Interaktion und der Visualisierung«, sagt Keil.

Die webtechnologie-basierte CHESS-App funktioniert auf allen gängigen Betriebssystemen und wird über JavaScript gesteuert. Sie ist um Komponenten erweitert, mit denen die Augmented-Reality-Technologien gesteuert wird: »Das vereinfacht die Entwicklung solcher Anwednungen und verbreitet damit deren Einsatzmöglichkeiten«, so Keil. Der Besucher braucht also lediglich ein mobiles Gerät wie ein Smartphone oder ein Tablet, um die App nutzen zu können. Wie sich sein Museumsbesuch gestaltet, bestimmt er selbst: Wenn er einen kurzen Fragebogen zu seinen Interessen ausfüllt und angibt, wie viel Zeit er im Museum verbringen möchte, generiert CHESS einen personalisierten Rundgang. Es werden nur so viele Einzelheiten erwähnt, wie innerhalb des angegebenen Zeitrahmens sinnvoll sind. »Schließlich ist es ein Unterschied, ob man einen Tag oder eine Stunde in einer Ausstellung verbringt«, sagt Keil. Die Tour passt sich außerdem fortlaufend den Wünschen des Besuchers an. Ändert er beispielsweise die Richtung oder die Reihenfolge der Exponate, reagiert die App darauf.

»Durch interaktives Story-Telling wollen wir Geschichten zur Geschichte vermitteln. Ob der Ansatz dabei edukativ-spielerisch oder eher sachlich sein soll, welche Inhalte vermittelt und welche Medien eingebunden werden, bleibt dem jeweiligen Museum überlassen«, erklärt Keil.

Bei der Entwicklung der App haben die Projektpartner mit Kuratoren, Historikern und Archäologen zusammen gearbeitet. Wichtig dabei war auch die Usability. So können Anwender mit einem speziellen Autorenwerkzeug künftig Inhalte selbst einfügen und auch bestehende Angebote einbinden. Eine Variante ist zum Beispiel, Exponate miteinander zu einer Geschichte, einem roten Faden zu verknüpfen. Museumskuratoren könnten mit dem Tool ohne großen technischen Aufwand Rundgänge kreieren und mit Multimediainhalten wie zum Beispiel Videos, Audio-Stücken oder Grafiken verknüpfen.

Das mobile AR-System des Fraunhofer IGD ist zudem vielfältig einsetzbar und wird auch in künftigen Projekten des Instituts genutzt werden. Die zugrundeliegenden Trackingtechnologien werden in vielfältigen Projekten bereits kommerziell eingesetzt. (mdi)

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