Der Einsatz von Technik hat den Sport perfektioniert. Für Aktive und Trainer ebenso wie für die Zuschauer. Der Einsatz der Torlinientechnologie bei der FIFA Fußball-WM zeigt, dass auch der Fußball verstärkt die Möglichkeiten moderner Funksysteme nutzt, um die Position des Balles und der Spieler exakt zu ermitteln und das Trainings- oder Spielgeschehen zu analysieren. Mit den Systemen GoalRef™ und RedFIR® hat das Fraunhofer IIS zwei Technologien zur Marktreife geführt, die schon jetzt bundesliga- beziehungsweise WM-tauglich sind.

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Was für den Fußball gilt, kann seine Gültigkeit auch für den Wettbewerb von Innovationen haben. »Die FIFA Fußball-WM ist vorbei und die dabei verwendete Torlinientechnik unserer Konkurrenz hat einen guten Job gemacht«, sagt René Dünkler vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS. Dass allerdings ändere nichts an der Tatsache, dass die an seinem Institut entwickelte Technik »GoalRefTM« eine Alternative für die kommenden Turniere ist, die »klare Vorteile« habe. »Wir setzen nicht auf den Einsatz von Kameras, damit die Elektronik entscheidet, ob der Ball die Torlinie überschritten hat oder nicht. Wir setzen auf schwache Magnetfelder. Diese arbeiten ebenfalls auf den Millimeter genau. Aber sie funktionieren auch, wenn optische Kriterien versagen. Etwa, wenn der Ball verdeckt ist oder beispielsweise der Nebel bengalischer Feuer die Sicht einschränkt«, erklärt Dünkler. Bei GoalRefTM erzeugen kleine Antennen schwache magnetische Felder um das Tor. Diese Antennen sind unsichtbar im Tor untergebracht. Im Ball sind Spulen integriert, damit er das Magnetfeld beeinflusst, sobald er sich in Tornähe befindet. Auf diese Weise kann er exakt geortet werden. Überquert er die Torlinie, wird also sicher auch ein Tor erkannt. Diese Information kann dann über verschlüsselte Funksignale in Echtzeit an die Schiedsrichteruhren übermittelt werden.

»Seit rund zwei Jahren ist GoalRefTM weltweit von der FIFA für alle offiziellen Spiele zugelassen und schon in internationalen Turnieren eingesetzt«, sagt Dünkler. »Und wir haben mehrere Systeme in Nürnberg beziehungsweise in Erlangen im Einsatz, um das System jederzeit demonstrieren und einem Härtetest unterziehen zu können.« Insofern – so hoffen die Forscher am IIS – ist es vermutlich nur noch eine Frage der grundsätzlichen Bereitschaft beispielsweise der Deutschen Fußball Liga (DFL) bis die Torlinientechnik eingeführt wird.

Doch nicht nur der Ball lässt sich elektronisch genau orten, um festzustellen, ob ein Tor gefallen ist oder nicht. Neu und deshalb noch ungewohnt ist für die Trainer auch die Möglichkeit, mit RedFIR® Spielgerät und Spieler während des Trainings exakt zu lokalisieren. »Fitness, Ballführung und taktisches Verhalten können so exakt erfasst, analysiert und dargestellt werden«, erklärt Dünkler. Dafür werden Flutlichtmasten und Tribünenbauten rund um das Spielfeld mit insgesamt bis zu einem Dutzend Empfangsantennen ausgerüstet. Als Signalgeber sind miniaturisierte Sender im Ball integriert. Zudem trägt jeder Spieler Sender an den Füßen, im Funktionsshirt und optional auch an beiden Armen. So wird es möglich, jede Ball- und Spielerbewegung in Echtzeit mit zu verfolgen und auszuwerten. »Mit unserem System lässt sich der Ball bis zu 2.000 Mal in einer Sekunde zentimetergenau verorten«, sagt Dünkler. Selbst die Flugbahn des Balles bei einem hart geschossenen Freistoß kann also exakt erfasst werden. Eine 3D-Ansicht auf dem Tablett oder später der Beamer-Leinwand zeigt Schuss und Flugbahn. Gleichzeitig errechnet der Computer die Schussgeschwindigkeit entlang der zurückgelegten Wegstrecke.

Ebenso wird mehrere hundert Mal pro Sekunde der Standort jedes Spielers bestimmt und so das gesamte Geschehen auf dem Rasen auf den Computerbildschirm übertragen. Mit den Signalen der Einzelsensoren jedes Akteurs können zusätzlich dessen Bewegungen im Detail erfasst und analysiert werden. Da sich damit jede Fuß- und Armbewegung genau vermessen lässt, werden für den Trainer objektiv Schwachpunkte erkennbar, die mit bloßem Auge nicht oder nur sehr eingeschränkt sichtbar sind.

»Für die Trainer ergeben sich damit eine Fülle neuer Erkenntnisse«, betont Dünkler. Der Forscher unterscheidet dabei zwischen physischen, individual-technischen, taktischen und qualitativ taktischen Analysen: Zu den physischen Analysen gehören vor allem Aufzeichnungen über die Läufe mit und ohne Ball. Wie häufig sprintet ein Spieler? Welche Laufleistung zeigt er generell? Wo hält er sich wie lange auf? Zu den individual-technischen Analysen zählen unter anderem Ballkontakte, Anzahl und vor allem die Zeitdauer des Ballbesitzes bis zum Schuss oder Pass. »Idealerweise ist dieser Wert so gering wie bei Mario Götze im WM Endspiel, der innerhalb von Sekundenbruchteilen abgeschossen hat«, meint Dünkler. Zur technischen Analyse gehören Aufzeichnungen über angekommene Pässe oder Fehlpässe. Und zu den qualitativ taktischen Analysen das Erfassen der Kompaktheit und der Bewegungen eines Mannschaftsteils. Beispielsweise beim Spiel auf Abseits, dem Verlagern des Spiels auf die andere Seite oder dem Umschalten auf Angriff bei Balleroberung.

Um beispielsweise einen Ball in der Nähe eines Fußes richtig zu interpretieren haben die Forscher »Events« definiert, die über einen »Event-Observer« erkannt und interpretiert werden: »Anhand der gesammelten Daten lassen sich deshalb nicht nur Rückschlüsse auf Position und Bewegung ziehen. Es lässt sich auch erkennen, welche Art von Ereignis vorliegt: Eine geglückte oder misslungene Ballannahme beispielsweise oder die Art des Schusses. Das System »versteht« also Einzelereignisse während des Trainings oder in einem Spiel. Der Informationswert für die Trainer ist entsprechend hoch.
RedFIR® ist mittlerweile praktisch erprobt und wird beispielsweise im Nachwuchsleistungszentrum der TSG 1899 Hoffenheim eingesetzt. »Das System ist ausgereift und voll einsatzfähig», bestätigt Dünkler. Trotzdem wird das Projekt weiterlaufen. Zum einen, um die Analyse-Software so zu verbessern, dass Ergebnisse auch grafisch optimal aufbereitet werden können. Und zum anderen, um Trainer und Betreuer in den Möglichkeiten zu schulen und die Trainingspläne entsprechend anzupassen. (aku)

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