Souverän serviert

Der Informationshunger von Smart Cities und intelligenten Fabriken ist gigantisch. Sensoren stillen diesen Bedarf millionenfach. Und das jeden Tag. Aber die Daten müssen auch für alle beteiligten Domänen tatsächlich nutzbar sein. Nötig sind dafür offene Standards für die jeweiligen Schnittstellen und eine Server-Software, die eine sichere und leistungsstarke Verteilung gewährleistet. Für beides ist das Fraunhofer IOSB mitverantwortlich. Im Interview erklärt Projektleiter Philipp Hertweck die Vorteile des hier entwickelten »Fraunhofer Open Source SensorThings API Servers FROST®«.

Hallo Herr Hertweck, wenn man bislang davon sprach, dass die Informationstechnik Daten wie »Sand am Meer« erzeugt, dann hat das offensichtlich seine Berechtigung verloren. Denn die 7,5 Trillionen Sandkörner, die sich angeblich auf alle Strände der Welt verteilen, sind mittlerweile deutlich weniger, als die rund 175 Zettabyte an Daten, die bislang generiert wurden. Hauptverursacher dafür scheint das Internet of Things (IoT) zu sein.

Wobei hier nur das Internet of Things anzuführen, etwas zu kurz greift. Denn es geht ganz allgemein um Sensordaten. Und hier spielen neben dem IoT auch generell diejenigen Daten eine Rolle, die im Bereich Smart Cities anfallen. Dazu gehört beispielsweise die Umweltbeobachtung, die Verkehrsüberwachung oder auch der Kulturgüterschutz oder Daten für das Krisenmanagement. Ob diese nun über das IoT erfasst werden, oder nicht.

Und die Anwendungsfelder werden immer mehr und sie werden immer breiter.

Richtig. Damit aber wächst nun das Problem, all diese Daten zu verarbeiten und sie sinnvoll zu nutzen. Wir müssen vermeiden, dass sogenannte Datensilos entstehen, also Daten einer Domäne vorbehalten bleiben und für eine Kombination mit anderen Daten nicht erreichbar sind. Es ist entscheidend, Daten aus unterschiedlichen Bereichen miteinander in Beziehung setzen zu können, um eine sinnvolle und effiziente Steuerung von Anlagen oder auch ganzen Städten zu ermöglichen.

Im Englischen gibt es dafür den Begriff des »fair«.

»fair« steht für findable, denn die Daten müssen auffindbar sein. Für accessible, denn alle Berechtigten müssen auf sie zugreifen können. Für Interoperabilität und für re-usable, sie müssen also auch wiederverwendbar sein. Im Grunde sind das genau die Themen, die wir in unserer Software FROST adressiert haben.

Bei FROST hat sich Ihr Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB das Ziel gesetzt, einen Server für den OGC Standard SensorThings API zu entwickeln, der für die Sensordatenverwaltung genutzt wird.

FROST mag zunächst etwas irreführen klingen, weil der Server nicht mit Kälte zu tun hat. Der Begriff steht für »Fraunhofer Open Source SensorThings API Server«. Unser FROST®-Server verfügt nicht nur über eine hohe Leistungsfähigkeit bei geringem Ressourcenverbrauch. Er bringt auch – was uns besonders wichtig war – die nötige Offenheit mit, damit Sensordaten domänenübergreifend ausgetauscht werden können. Und die SensorThings API, die wir dabei nutzen, wird von der Europäischen Kommission mittlerweile als »Good Practice« für die Bereitstellung von Geodaten empfohlen. Denn dieser Standard definiert zuverlässig, wie Daten geschrieben werden und er klärt, wie auf die Daten zugegriffen werden kann.

Sie haben an anderer Stelle gesagt, dass ein »Standard« so lange nur ein Stück Papier bleibt, bis er auch genutzt wird.

Deshalb war es uns nicht nur wichtig, die SensorThings API mit zu definieren, sondern auch eine Software zu schreiben, die diesen Standard tatsächlich umsetzt. Mit unserer Open Source Implementierung FROST®-Server ist nun die schnelle und unkomplizierte Datenbereitstellung möglich. Die Software hilft dabei, Datensilos zu verhindern, weil neben Messdaten auch deren beschreibende Metadaten bereitgestellt werden können.

Das heißt, dass die Verantwortlichen für eine Stadt, eine Institution oder eine Industrieanlage davon ausgehen können, dass der Datenaustausch funktioniert – einerseits weil die Schnittstellen nun standardisiert sind und andererseits, weil der Datenaustausch reibungslos durchgeführt wird. Unabhängig von der Datenquelle.

Richtig. Aber um die Prozesse zusätzlich zu erleichtern ist der FROST®-Server als Open Source konzipiert. Die Software kann also frei verwendet werden. Sie müssen sie lediglich hier herunterladen und können im Grunde loslegen. Und Sie können sie im Zweifel auch an individuelle Bedürfnisse anpassen und sie verändern oder erweitern.

Genutzt wird die Software bereits zu verschiedenen Zwecken.

Es gibt eine Vielzahl an Beispielen. Am prominentesten ist aktuell vermutlich die Smart City Plattform der Stadt Hamburg, wo verschiedenste Daten in der Urban Data Platform Hamburg zusammengeführt werden. Dazu gehört insbesondere auch die Verkehrsplanung und Verkehrssteuerung. Hier werden Sensordaten zur Auslastung von E-Auto-Ladestationen, der Situation in Parkhäusern oder zur Verfügbarkeit von City Bikes nicht nur in Echtzeit ausgewertet und sind abrufbar. Die Daten können auch als Grundlage für Prognosen zur weiteren Entwicklung in den nächsten Stunden oder auch langfristig genutzt werden. Dazu gehört auch die Anbindung größerer Ampelanlagen mit ihren Ampelschaltungen nahezu in Echtzeit.
Andere Beispiele sind das Bureau de Recherches Géologiques et Minères (BRGM). Die wohl wichtigste öffentliche Einrichtung für geowissenschaftliche Anwendungen in Frankreich verwaltet seine über 136 Millionen Wasserqualitätsmessungen mit etwa 1.500 verschiedenen chemischen Substanzen, die an über 18.000 Messstellen erfasst werden über FROST®. Oder auch Konzepte zur Weiterbildung von Berufsschullehrer*innen in Zusammenarbeit mit der Fraunhofer Academy oder das EU-Projekt beAWARE: Hier werden integrierte Lösung für Vorhersage, Frühwarnung und Notfallmanagement bei extremen Wetterereignissen entwickelt.

Ein anderes Thema ist die Frage, wie der Mehrwert, der durch das Generieren und den Austausch von Daten gewonnen wird, praktisch eingesetzt werden kann. Denn die draus entwickelten Echtzeit-Erkenntnisse müssen ja wieder in die Systeme rückgespiegelt und dort genutzt werden.

Dafür haben wir PERMA® entwickelt. Das ist ein Framework beispielsweise für Smart-City-Anwendungen oder Umweltinformationssysteme, zur Steuerung von Energiesystemen oder zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit. Über dieses Tool können beispielsweise Verarbeitungsroutinen, Auswertungen und Prognosen effizient in eine technische Infrastruktur integriert werden, um die dort ablaufenden Prozesse je nach Notwendigkeit zu steuern.

Weil immer noch Projekte dazukommen und sich die Technik sowie die Voraussetzungen vor Ort ändern, dürften Projekte wie FROST und PERMA noch länger laufen.

Davon gehen wir aus. Wir entwickeln den Standard sowie die Anwendungen FROST® und PERMA® kontinuierlich weiter. Beispielsweise implementieren wir weitere Funktionalitäten, die sich aufgrund einzelner Anwendungen als sinnvoll erwiesen haben. Dazu gehört beispielsweise die Frage der Datenzugriffsberechtigung. Natürlich ist es sinnvoll, im Kontext von Smart City viele Daten öffentlich zugänglich zu halten. Andererseits gibt es kritische Daten etwa zu den Energieverbräuchen, die auf bestimmte Zielgruppen oder Benutzer*innen beschränkt bleiben müssen.

(aku)


Philipp Hertweck

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