Digitalisierung für alle?
Smartphones, Apps & Co. sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken – doch was, wenn digitale Barrieren den Zugang versperren? Seit Ende Juni 2025 ist Barrierefreiheit auch im Digitalen Pflicht: Für Produkte, Dienstleistungen und ein inklusives digitales Miteinander.
Die Digitalisierung revolutioniert unseren Alltag. Neue Technologien wie Handys, Tablets oder Computer sind aus unserem Leben kaum noch wegzudenken. Unser gesellschaftlicher Alltag spielt sich immer mehr online ab: Wir sammeln innerhalb von Sekunden neue Informationen, buchen Konzerttickets oder Fragen nach dem Weg. Doch was ist mit den Menschen, die digitale Barrieren erleben? Für sie ist die Teilhabe am digitalen Leben nicht ohne technische Hilfe möglich. In den letzten Jahren hat sich das Bewusstsein für dieses Problem deutlich erhöht. Neue Technologien wie Sprachsteuerung oder Machine Learning schaffen neue Chancen. Denn digitale Teilhabe bedeutet: Jeder Mensch soll Zugang zu digitalen Entwicklungen erhalten und so aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.
Digitale Barrieren und digitale Barrierefreiheit?
Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass alle Menschen unabhängig von körperlichen, kognitiven oder altersbedingten Einschränkungen digitale Angebote problemlos nutzen können. Sie ist damit weit mehr als ein Spezialthema für Menschen mit Behinderungen: Auch wer temporär eingeschränkt ist oder sich in ungünstigen Nutzungssituationen befindet, kennt digitale Barrieren nur zu gut. Ob fehlende Untertitel bei Videos, unleserliche Kontraste, unklare Navigation oder komplexe Dokumente – solche Hürden können jeden betreffen. Besonders schwer wiegen sie aber für Menschen mit erhöhtem Bedarf an Barrierefreiheit. Wenn etwa keine Alternativtexte für Bilder vorhanden sind, Screenreader nicht funktionieren oder eine Website nicht per Tastatur bedienbar ist, wird digitale Teilhabe schnell zur Herausforderung.
Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) – der internationale Standard für barrierefreies Webdesign – liefern klare Kriterien, wie Barrierefreiheit erreicht werden kann. Sie beruhen auf vier Grundprinzipien: wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust. Inhalte müssen wahrnehmbar sein, also für alle Nutzer*innen gut erfassbar, etwa durch klare Kontraste, ausreichend große Schrift oder Untertitel bei Videos. Ebenso wichtig ist die Bedienbarkeit. Digitale Angebote sollten nicht nur mit der Maus, sondern auch per Tastatur oder Sprachsteuerung nutzbar sein. Außerdem spielt die Verständlichkeit eine große Rolle. Informationen und Navigation müssen einfach und logisch aufgebaut sein, damit sich Nutzer*innen problemlos zurechtfinden. Schließlich müssen digitale Inhalte robust sein, also technisch so umgesetzt, dass sie auch mit Hilfsmitteln wie Screenreadern oder unterschiedlichen Browsern zuverlässig funktionieren. Deswegen sind unter anderem klare Navigationsstrukturen, ausreichende Farbkontraste, Tastaturzugänglichkeit, alternative Medienformate (wie Untertitel, Gebärdensprache oder Alt-Texte) sowie technisches Grundgerüst durch korrektes HTML, ARIA-Rollen und semantisches Markup wichtig. Diese Prinzipien bilden die Grundlage für ein barrierefreies Web, das allen Menschen den Zugang zur digitalen Welt eröffnet.
Digitale Barrierefreiheit nützt allen, sie erleichtert älteren Menschen die Nutzung, verbessert die User Experience für alle und schafft gerechtere digitale Räume. Sie sollte nicht als nachträglicher Mehraufwand verstanden werden, sondern als integraler Bestandteil bei der Entwicklung digitaler Angebote. In einer zunehmend digitalen Welt ist barrierefreier Zugang kein Extra, sondern eine Frage von Chancengleichheit und Teilhabe. Nur wenn digitale Inhalte für alle zugänglich sind, können alle auch von der Digitalisierung profitieren.
Digitale Barrierefreiheit jetzt gesetzlich
Am 16. Juni 2021 wurde in Deutschland das Digitale-Barrierefreiheits-Gesetz (BFSG) verabschiedet – ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr digitaler Teilhabe.
Ab dem 28. Juli 2025 tritt das Gesetzt vollständig in Kraft. Es setzt den European Accessibility Act, die EU-Richtlinie über Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen, in nationales Recht um. Mit dem Ziel: Digitale Angebote sollen für alle Menschen zugänglich sein, insbesondere für Menschen mit Behinderungen.
Digitale Produkte und Dienstleistungen müssen künftig so gestaltet werden, dass sie auch von Menschen mit unterschiedlichsten Einschränkungen genutzt, verstanden und bedient werden können. Das betrifft etwa Online-Shops, Bankdienstleistungen, Software und Betriebssysteme – Hardware wie Handys – Computer, Geldautomaten oder Fahrkartenautomaten sowie digitale Angebote im Verkehr.
Das BFSG richtet sich an ein breites Spektrum von Wirtschaftsakteuren: Hersteller, Händler, Dienstleister und Importeure. Für kleine Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten oder weniger als 2 Millionen Euro Jahresumsatz gelten Ausnahmen.
Der öffentliche Sektor ist bereits durch andere Regelungen, wie etwa durch das Behindertengleichstellungsgesetzt (BGG) zur Barrierefreiheit verpflichtet.
Die Einhaltung der Vorgaben wird von staatlichen Stellen überwacht – unter anderem vom Deutschen Institut für Normung (DIN).
Neben dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) gelten auch internationale Standards wie die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG). Sie definieren weltweit anerkannte Regeln für barrierefreies Webdesign, basierend auf den Prinzipien Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit. Die EU schreibt dabei die WCAG-Stufen A und AA verbindlich vor.
Diese neuen Vorgaben bringen Herausforderungen, aber auch neue Chancen: Sie verpflichteten Unternehmen, Barrierefreiheit von Beginn an mitzudenken und schaffen bessere digitale Angebote für alle.
KI für mehr digitale Barrierefreiheit: Viel Potenzial, aber noch Hürden
Dank der Fähigkeit von KI, Inhalte in Echtzeit zu analysieren und anzupassen, ermöglicht sie etwa die Umwandlung von Text in Sprache, automatische Bildbeschreibungen oder die Vereinfachung komplexer Informationen. So wird die User Experience im digitalen Raum deutlich angenehmer und zugänglicher. Moderne KI-Systeme verarbeiten verschiedene Medienformen von Text über Sprache bis hin zu Bildern und passen sich individuell an die Bedürfnisse der Nutzer*innen an. Anwendungen wie die App »Seeing AI« helfen sehbehinderten Menschen, ihre Umgebung besser wahrzunehmen. Zudem können KI-Tools die automatische Prüfung und Optimierung von Websites übernehmen.
KI kann also helfen, digitale Barrieren abzubauen Ein Problem bleibt jedoch: Viele dieser Tools gehören großen Tech-Konzernen und sind nur auf bestimmten Plattformen nutzbar oder kosten Geld. Das schränkt die Selbstbestimmung ein und wirft Datenschutzfragen auf. Eine Zukunftsvision ist, dass Nutzer*innen KI frei einsetzen können – unabhängig davon, wo ihre Inhalte liegen.
Für die Zukunft
Digitale Barrierefreiheit ist keine technische Spielerei, sondern eine soziale Notwendigkeit für unsere Gesellschaft. Sie schafft gleiche Chancen und ermöglicht Teilhabe für alle unabhängig von Alter, Fähigkeiten oder Nutzungssituation. Wer digitale Angebote von Anfang an barrierefrei gestaltet, leistet nicht nur einen Beitrag zur Inklusion, sondern verbessert auch die Nutzerfreundlichkeit. In einer zunehmend digitalen Welt ist dies ein Fortschritt, von dem niemand ausgeschlossen werden darf. Jetzt liegt es an Unternehmen, Behörden und Entwickler*innen, diesen Anspruch ernst zu nehmen und aktiv umzusetzen – für eine inkludierte Zukunft.
(lge)