Eine Drohne fliegt über eine Moorlandschaft

We want Mo(o)re!

Moore speichern doppelt so viel Kohlenstoff wie die gesamte Biomasse aller Wälder der Erde. Gesunde Moore gehen rasant verloren – um sie zu schützen, entwickelt VALPEATS ein Monitoring-System, das Wiedervernässungsprojekte messbar, effizient und transparent macht.  

Sie bedecken nur rund drei Prozent der weltweiten Landfläche, speichern jedoch 600 Milliarden Tonnen Kohlenstoff: Moorlandschaften. Mit ihrer Eigenschaft, unter natürlichen Bedingungen als Langzeitspeicher zu fungieren, schützen sie die Atmosphäre vor einer weiteren CO2-Quelle und bieten das Potential, Treibhausgas aus der Atmosphäre zu entziehen. Weltweit werden sie jedoch zerstört und gelten als am stärksten bedrohte Ökosysteme der Erde. 

In Deutschland sind Moore vor allem in der norddeutschen Tiefebene und im Voralpenland zu finden, wo sie mit dem Ende der Kleinen Eiszeit vor rund 12.000 Jahren ihren Anfang nahmen. Dort, wo die Gletscher schrumpften, fluteten enorme Wassermassen die Landschaft und hinterließen wassergefüllte Senken und Täler. In diesen konnten abgestorbene Pflanzenreste nicht zersetzt werden, das kühle Schmelzwasser der einstigen Gletscher konservierte sie. So entstand über mehrere Jahrtausende hinweg Torfschicht für Torfschicht. Lange Zeit sah man in den Sumpflandschaften vor allem eines: potenzielles Land für die Land- und Forstwirtschaft. Allein in Deutschland wurden seit Beginn der Industrialisierung über 90 Prozent der Moore entwässert und trockengelegt. Dies hat den Verlust wichtiger Ökosystemleistungen zur Folge. Habitat für auf Sumpflandschaften spezialisierte Flora und Fauna wird zerstört – viele davon sind akut vom Aussterben bedroht – und auch der im Torf gebundene Kohlenstoff wird durch die eingeleitete Zersetzung des organischen Materials in Form von CO2 in die Atmosphäre freigesetzt. Neben den anthropogenen Einflüssen verstärken steigende Temperaturen in Folge des Klimawandels die Zerstörung der trockenen Moore.  

Doch es gibt eine gute Nachricht, mit der Wiedervernässung von Mooren können verbleibende Torfschichten konserviert, aktuelle Emissionen reduziert und Ökosystemleistungen reaktiviert werden. Je nasser ein Moor ist, desto weniger Sauerstoff gelangt in den Boden, wodurch die Zersetzung von Torf abnimmt und somit die Freisetzung von CO₂ minimiert wird. 

Die Relevanz von Mooren ist in jüngerer Zeit verstärkt anerkannt worden und wurde im Jahr 2022 in der Nationalen Moorschutzstrategie in konkrete Maßnahmen zur Wiedervernässung überführt. Ziel ist es, bis 2030 insgesamt 250.000 Hektar Moorflächen zu renaturieren, um einen Beitrag zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens zu leisten. Ein ambitioniertes Ziel, besonders im Hinblick auf das derzeitige Tempo von durchschnittlich rund 2.000 Hektor pro Jahr – eigentlich müssten laut Berechnungen der Heinrich-Böll-Stiftung 50.000 Hektar pro Jahr geschafft werden. Ein Grund für die schleppende Umsetzung liegt unter anderem im Fehlen von Monitoring-Daten, um den Erfolg von Maßnahmen prüfen und den tatsächlichen Rückgang von CO2-Emissionen messen zu können. Hier kommt VALPEATS ins Spiel. 

VALPEATS: Wenn KI auf Moorschutz trifft

Mit »VALPEATS« entwickeln Forscher*innen des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung IGD gemeinsam mit der Universität Greifswald, Partner im Greifswald Moor Centrum (GMC) eine digitale Lösung für ein präzises und kosteneffizientes Überwachungstool von Mooren. »Durch verlässliche Messungen und ein standardisiertes Monitoring legen wir die Basis für belastbare Treibhausgas-Bilanzen für die Nutzung auf freiwilligen auf freiwilligen CO₂-Märkten und datenbasierte Bewirtschaftungsentscheidungen im Smart Farming«, erklärt Milan Bergheim vom Fraunhofer IGD.  »Das System soll künftig eine kostengünstige Alternative zu direkten, aufwendigen Emissionsmessungen bieten und zudem das Ausstellen von Nachweisen für den Ökowertpapierhandel vereinfachen«. 

Das Herzstück von VALPEATS bildet eine intelligente Verknüpfung verschiedenster Datenquellen: Neben Kartendaten und meteorologischen Informationen werden Wasserstandssensoren ins IoT gebracht und die Moorvegetation durch Drohenüberflüge mittels Künstlicher Intelligenz ausgewertet und klassifiziert. Das Ergebnis: Ein präziser Überblick über die aktuellen Wasserstände und die Vegetation spezifischer Moorflächen, der eine regelmäßige Zustandserfassung und somit eine einfache Abschätzung des Treibhausgasaustausches ermöglicht. 

Die Grundlage für diese Berechnung bildet das sogenannte GEST-Modell (Greenhouse Gas Emissions Site Type). GEST teilt Moorflächen in homogene Areale ein, die sich durch eine charakteristische Vegetation auszeichnen und somit einen ähnlichen CO₂-Austausch aufweisen. Die Vegetation fungiert hierbei als Proxy-Variable – eine Stellvertretergröße, über die sich der Wasserstand im Moor abschätzen lässt. VALPEATS verfolgt bei der Wasserstandsbestimmung auf Basis des GEST-Modells einen multisensorischen Ansatz: Drohnen erfassen mittels multispektraler Kameras hochauflösende Bilddaten der Moore, KI-Modelle identifizieren im Anschluss die Vegetation anhand ihrer spektralen Eigenschaften sowie ihrer Form und Textur. Als Grundlage dient ein Trainingsdatensatz, der durch botanische Kartierung im Feld mittels RTK-GNSS (Real-Time Kinematic Global Navigation Satellite System) generiert wird – ein Verfahren, mit dem Vermessungen mit einer Genauigkeit von wenigen Zentimetern durchgeführt werden können.  

Das Dashboard zeigt die Auswertung multispektraler Drohnenbilder, aus denen KI-Modelle die Vegetation der Moorlandschaft anhand ihrer spektralen Eigenschaften sowie Form- und Texturmerkmale ableiten und visuell aufbereiten.

Ergänzt werden die Drohnendaten durch in-situ-Sensoren, die kontinuierlich die Wasserpegel im Moor erfassen, während eine hydrologische Modellierung zusätzliche Randbedingungen berücksichtigt. All diese Datenströme werden zusammengeführt und sollen mittels speziell entwickelter Algorithmen ausgewertet werden. Die Ergebnisse werden auf einem Dashboard verfügbar gemacht, welches durch ein interdisziplinäres Team am IGD Rostock entwickelt wird und in Zusammenarbeit mit dem IGD Darmstadt entsteht. Somit wird Anwender*innen ein intuitiver Umgang mit komplexen Daten sowie der Erstellung von Berichten, wie beispielsweise Nachhaltigkeitsberichten, ermöglicht.  

Paludikultur: Moorschutz, der sich rechnet

Ein besonders zukunftsweisender Aspekt des Projekts ist die Anwendung dieser Technologien auf Paludikultur – der landwirtschaftlichen Nutzung nasser Moore. In der sogenannten Aufwuchspaludikultur etabliert sich nach der Anhebung des Wasserstands ohne menschlichen Eingriff eine moortypische Vegetation, die in den ersten zehn Jahren sehr heterogen ausfällt. Diese Biomasse kann vielfältig genutzt werden: als Faser für die Papier – und Kartonagenproduktion, als Dämmmaterial und Baustoff, in Biogasanlagen oder als Futtermittel. 

»Die Klassifikation der Vegetation durch VALPEATS wird es uns ermöglichen, die Zusammensetzung der Biomasse präzise zu bestimmen und deren optimale Verwertung zu steuern«, erklärt Milan Bergheim. Der Aufbau solcher Verwertungsketten ist essenziell. »Nur wenn Moorschutz auch wirtschaftlich funktioniert, werden wir die notwendigen Flächen wiedervernässen können«. Die Etablierung von Paludikultur und der Aufbau entsprechender Verwertungsketten werden als Schlüsselfaktor für eine beschleunigte Wiedervernässung gesehen – eine Win-Win-Situation für Klima und bioökonomische Wirtschaft. 

Die automatisierte, digitalisierte Lösung soll es ermöglichen, die anvisierten Moorschutzstrategien zu überwachen und durch mehr Transparenz beim Monitoring beobachtbare, positive Veränderungen von Ökosystemen zu dokumentieren. Und somit einen wirtschaftlichen Anreiz für die Wiedervernässung von Moorlandschaften bieten. 

 (vm) 


Milan Bergheim, Fraunhofer IGD

Milan Bergheim

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