Im Gespräch mit Karlheinz Brandenburg
Im Interview spricht der mp3-Mitentwickler Karlheinz Brandenburg über psychoakustische Prinzipien, technische Pionierarbeit und die Zukunft des Hörens.
Vor 30 Jahren veränderte ein unscheinbares Dateiformat die Welt. mp3 machte Musik portabel, vernetzt, überall verfügbar. Heute ist es aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken und doch wissen die wenigsten, wem wir diese stille Revolution verdanken: Karlheinz Brandenburg. Der Ingenieur, Forscher und Visionär gehört zu den Schöpfern jener Technologie, die unsere Hörgewohnheiten für immer verändert hat.
In unserem neuen Interview spricht Brandenburg über die Entstehungsgeschichte von mp3 und darüber, was es über unser Verhältnis zu Klang, Technik und Kultur verrät.
Die Geschichte beginnt in den 1980er-Jahren, an der Universität Erlangen-Nürnberg. Damals stellte sich Brandenburg eine einfache, aber folgenreiche Frage: Wie lässt sich Musik so komprimieren, dass sie für das menschliche Ohr nahezu identisch zum Original klingt, die Größe ihrer digitalen Entität, der Datei, aber hundertfach kleiner ist? Die Antwort führte ihn tief in die Welt der Psychoakustik. Verdeckungseffekte, Hörschwellen, Quantisierungsrauschen – all das sind Begriffe, mit denen er und sein Team lernten, das Gehör auszutricksen, ohne den Klang zu zerstören.
Doch die Entwicklung war alles andere als gradlinig. »Wir mussten oft improvisieren«, erinnert sich Brandenburg. Nicht nur technische Hürden waren zu nehmen, auch politische und wirtschaftliche Entscheidungen beeinflussten den Weg. Ironischerweise war es das zögerliche Verhalten der Musikindustrie, ihre strategischen Fehlentscheidungen im Umgang mit der digitalen Kopie, das dem mp3-Format letztlich zum globalen Siegeszug verhalf.
Heute, drei Jahrzehnte später, denkt Brandenburg längst weiter. In seinem aktuellen Schaffen geht es um immersive Klangwelten, um Technologien, die Räume hörbar machen oder Musik so anpassen, dass sie sich unauffällig unserem Alltag anpasst. Vom »akustischen Holodeck« über flache Lautsprecher in Wandpaneelen bis hin zur »Brille für die Ohren«: Brandenburg arbeitet an einer Zukunft, in der Klang nicht mehr aus Lautsprechern kommt, sondern aus dem Raum selbst.
Im Interview spricht er auch über den langen Atem, den es braucht, um Visionen Wirklichkeit werden zu lassen. Es reicht nicht, technisch brilliert zu haben. Man braucht ein Gespür für den richtigen Moment, strategische Weitsicht und manchmal auch schlicht ein bisschen Glück.