Digitale Zukunft zum Mitmachen

»Digitalisierung ist kein Projekt, sondern ein Prozess!« – Fabienne Hammer, Project Managerin, Dept. Smart City Design  

Es begann mit einer Ausschreibung, auf die sich Landkreise in ganz Deutschland bewarben. Am Ende wählte das Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE) und das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Heimat gemeinsam sieben Modellregionen aus. Sie sollten zeigen, wie Digitalisierung im ländlichen Raum nicht nur denkbar, sondern machbar ist. 

Aus der Arbeit dieser Regionen entstanden vier konkrete digitale Lösungen, darunter »Kommunale.Räume«, eine Plattform, mit der sich gemeinschaftlich genutzte Räume buchen lassen: Für Coworking, Kulturveranstaltungen oder Vereinsarbeit. Weitere Schwerpunkte lagen in den Bereichen Bildung und Arbeit, Gesundheit und Pflege, Gemeinschaft und Ehrenamt sowie Mobilität. Später kam dank einer zusätzlichen Förderung eine fünfte Komponente hinzu: eine Beteiligungsplattform, die den Bürgerinnen und Bürgern eine Stimme geben sollte. 

Kooperation als Kernprinzip 

Die Idee dahinter war ebenso schlicht wie ambitioniert: Kommunen sollten einen digitalen Raum erhalten, in dem sie neue Lösungen testen, Strategien diskutieren und direktes Feedback einholen konnten. Gerade bei der Digitalisierung, so der Gedanke, sollte nicht »über Köpfe hinweg« entschieden werden. 

Umgesetzt wurde das mit der Open-Source-Software »CONSUL«, die ursprünglich in Madrid entwickelt wurde. Sie erlaubt es, Umfragen zu starten, Ideen zu sammeln und Diskussionen zu moderieren. In der Praxis zeigte sich jedoch: Die technischen Hürden waren in manchen Kommunen und bei vielen Bürgerinnen und Bürgern trotz Workshops und Beratungsmöglichkeiten höher als gedacht. Manche Landkreise hätten womöglich eine höhere Beteiligung erzielt, wenn sie einfachere Formate gewählt hätten – etwa kurze Online-Fragebögen oder analoge Veranstaltungen wie Diskussionsrunden im Ortskern. 

Trotzdem bleibt die Erkenntnis: Wer selbst mitgestalten kann, fühlt sich gehört und ist eher bereit, digitale Angebote zu akzeptieren. Digitale Beteiligung ist damit nicht nur ein nettes Add-on, sondern ein zentraler Baustein demokratischer Kultur. 

Bürgerbeteiligung neu gedacht  

Mit dem vom Fraunhofer IESE entwickelten Ökosystem im Rahmen des Modellvorhabens »Smarte.Land.Regionen« rückt ein zentrales Element in den Fokus: der digitale Marktplatz »DEUTSCHLAND.DIGITAL«. Gefördert vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH). Der Marktplatz »DEUTSCHLAND.DIGITAL« verbindet Kommunen und Anbieter*innen, d. h. Lösungsanbietende und Dienstleistende miteinander und vermittelt sowohl technische Lösungen als auch Dienstleistungen zwischen ihnen.  

Für Kommunen ist der Marktplatz ein wichtiger Service: Er liefert eine kuratierte Übersicht über digitale Angebote und Dienstleistungen, ermöglicht objektive Vergleiche und unterstützt so die Auswahl passender Lösungen für Kommunen, ohne dass tiefgehende IT-Kenntnisse in den Verwaltungen nötig sind. Das Fraunhofer IESE fungiert dabei als neutraler Betreiber, prüft die Angebote für die Kommunen auf dem digitalen Marktplatz anhand einheitlicher Kriterien und begleitet Kommunen bei Beschaffung, Vergabe und Betrieb der verschiedenen Projekte. In den kommenden zwei Jahren soll der Funktionsumfang, mit fachlicher Unterstützung aus Politik und Wirtschaft ausgebaut werden. 

Die Aufnahme neuer Angebote auf dem Marktplatz folgt einem klaren Reviewprozess: Jedes eingereichte Produkt oder Beratungsangebot muss einen kommunalen Anwendungsfall adressieren und bundesweit übertragbar sein. Neben formalen Kriterien wie dem Nachweis der Unternehmensregistrierung im Handelsregister und der Lesbarkeit der Inhalte erhalten Anbieter*innen auch Feedback, um ihre Produktseiten zu optimieren. Angebote, die die Vorgaben nicht erfüllen oder Hinweise ignorieren, können abgelehnt oder entfernt werden. 

Die Bezeichnung »Marktplatz« ist dabei bewusst gewählt: Seit der Antike waren öffentliche Plätze zentrale Orte des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Austauschs. Als digitale Plattform überträgt »DEUTSCHLAND.DIGITAL« dieses Prinzip in die Gegenwart. Sie ist ein Verteilerknoten für kommunale Software-as-a-Service-Lösungen, die bundesweit einen Beitrag zu gleichwertigen Lebensverhältnissen leisten. Ziel ist es, nicht isolierte Einzelprojekte zu fördern, sondern Kommunen, Lösungsanbietende und Beratende in einem gemeinsamen digitalen Ökosystem zu vernetzen. 

Nachhaltigkeit durch Wissenstransfer 

Damit die Ergebnisse aus dem Projekt »Smarte.Land.Regionen« nicht in verstaubten PDFs enden, sondern langfristig wirksam bleiben, hat das Fraunhofer IESE das »Smarte.Land.Regionen« Toolset entwickelt. Diese Wissensplattform bündelt die Erfahrungen aus allen Modellregionen und stellt sie strukturiert, praxisnah und leicht zugänglich zur Verfügung. Und das nicht nur für die beteiligten Landkreise, sondern auch für jede andere Kommune, die ihre digitale Transformation angehen möchte. 

Das Toolset ist so konzipiert, dass man gezielt nach Region oder Themengebiet filtern kann. Kommunen können sich also schnell einen Überblick verschaffen: Was brauchen wir in unserer Region? Welche Lösungen dafür gibt es bereits? Und was können wir an unsere eigenen Gegebenheiten anpassen? So wird Wissen nicht nur dokumentiert, sondern für die konkrete Umsetzung vor Ort nutzbar gemacht. 

Inhaltlich deckt das Toolset alle wichtigen Phasen der Digitalisierung ab: von der schrittweisen und ganzheitlichen Strategieentwicklung über den Aufbau einer Organisation, die zielgerichtet arbeitet und Innovation fördert, bis hin zur Entwicklung von Kompetenzen, die kontinuierlich wachsen und auf individuelle Bedürfnisse eingehen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Beteiligung: Bürger*innen und lokale Akteur*innen werden von Anfang an einbezogen, sodass Zusammenarbeit Wirkung entfaltet und langfristig Bestand hat. Damit zeigt das Toolset wie digitale Dienstleistungen bewusst gestartet und nachhaltig etabliert werden können. 

Mit diesem Ansatz wird Wissen über erfolgreiche Digitalisierungsprozesse zu einem strukturellen Gut: Es ist skalierbar, anschlussfähig und kann von jeder Kommune genutzt werden, unabhängig davon, ob sie Teil des Modellvorhabens war. Damit leistet das Toolset nicht nur einen Beitrag zur Verstetigung der Projektergebnisse, sondern auch zur Entwicklung tragfähiger Digitalstrategien in ganz Deutschland. 

Gemeinsam smarter werden 

Digitalisierung in ländlichen Regionen ist weit mehr als der Einsatz neuer Technologien. Sie lebt von einer Kultur der Kooperation und Beteiligung. Das Modellvorhaben »Smarte.Land.Regionen« zeigt wie Kommunen, Forschung, Politik und Bevölkerung gemeinsam den Wandel gestalten können. Sein Ansatz hat Vorbildcharakter für ganz Deutschland. 

Digitale Partizipation ist heute ein unverzichtbarer Bestandteil moderner Daseinsvorsorge. Sie ermöglicht es Bürgerinnen und Bürgern, unabhängig von Ort und Zeit an politischen und gesellschaftlichen Prozessen teilzunehmen und aktiv die Zukunft ihrer Region mitzugestalten. Entscheidend ist dabei, digitale und analoge Kanäle gleichermaßen zu nutzen, um möglichst viele Menschen zu erreichen. 

Doch die größte Herausforderung bleibt: Menschen zur Beteiligung zu motivieren. Nach Arbeit und Familie fehlt vielen schlicht Zeit und Energie. Damit Beteiligung trotzdem wirksam wird, sollten Anliegen klar umrissen sein – etwa der Bau eines neuen Radwegs statt vager Forderungen zu »gesellschaftlichen Problemen«. Wer sich engagiert, sollte sich vorab fragen: Was will ich erreichen? Welches Format passt zu meinem Ziel?  

Die Pandemie stellte das Projekt zusätzlich auf die Probe: Geplante Vor-Ort-Termine mussten entfallen, der Austausch und die Entwicklungsarbeit fanden vollständig digital statt. Trotz dieser Hürde gelang es, die Arbeit in den Modellregionen fortzusetzen und wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen. 

Am Ende bleibt der Aufruf: Beteiligt euch! Es gibt Angebote – nutzt sie. Nur wer mitredet, kann auch mitgestalten. 

(lna) 


Fabienne Hammer

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